Prof. Michael Narodoslawsky (TU Graz) und Prof. Wilhelm Ripl (TU Berlin, i.R.) haben einen Dialog als Weblog "Zukunftspost" (http://zukunftspost.blogspot.com/) über den aktuellen Weltbildwandel und die Zeitenwende angefangen, der regelmäßig fortgesetzt werden soll. Ziel: "Unser intellektuelles Tischtennismatch soll nicht Zukunftsforschung sein. Es soll zeigen, wie man Zukunft macht!"

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Auszüge aus den einzelnen Beiträgen:


Wilhelm Ripl: Grenzen als Voraussetzung für die Selbstorganisation
29. April 2009

Auszug: ... Ich glaube, dass wir aus der mittleren Perspektive dessen, was wir unmittelbar erfahren und beobachten, unsere Zukunft machen müssten. Dass wir den Übergang von dem was war und was andauernd wird, dann besser gestalten können, wenn wir im nächsten Schritt unsere Hybris des begrenzten Besserwissens durch ein vorrangiges Verständnis der Zusammenhänge anstreben, dass wir das Leben als Weg und als Ziel einer Evolution sehen, wo wir unsere Welt in uns selber internalisieren, anstatt mit maximaler Energie unsere Zukunft und unsere Subsistenz (die Fähigkeit auf eigener Landesfläche zu überleben) aufs Spiel setzen.

Die gesamte Gliederung unserer wasserabhängigen Schöpfung in selbstähnliche (fraktale) Strukturen vom Nanoorganismus bis hin zur jährlich wieder entstehenden Frühlingslandschaft mit ihren rekursiven Kopplungen ist auf die Menschheit und ihre noch immer in Entwicklung befindliche Intelligenz bezogen. In regelmäßigen Abständen entstehen singuläre Zeitfenster für sprunghafte Veränderungen, sei es eine Menetekelbotschaft oder der Zusammenbruch einer den Geist und den Menschen versklavenden Gesellschaft. Die heute drohende Gefahr besteht in einer den Menschen verachtenden Wissenschaft, die versucht durch einfache Patentrezepte, die in immer größeren zentralen geldgesteuerten Staatsgebilden zur Staatsreligion erhoben werden, jegliches Handeln globalisiert und synchronisiert ablaufen zu lassen.

Diese grenzenlose Gesellschaft entäußert sich des wichtigsten Prozesses einer nachhaltigen Zukunftsgestaltung nämlich des Evolutionsprozesses um die notwendige flexible Anpassung der Organismen an die meist orts- und zeitbezogene Phasendynamik zu gewährleisten. Auch Evolution ist ein Energie getriebener Prozess der vorrangig an Phasengrenzflächen abläuft und diese relativ geringen Potentiale in geordnete Dynamik überführt. Zu hohe und zu niedrige Grenzpotentiale führen zu Katastrophen oder gesellschaftliche Ineffizienz. Diese Entwicklung tritt durch übermäßige oder phasenfalsche Regelung der Gesellschaften mittels Gesetzen mit Universalitätsanspruch auf und wird in zu großen zentral gesteuerten politischen Einheiten erreicht. Die Erkenntnisse von Leopold Kohr („The breakdown of nations“) zeigen, wie das Wachstum von Nationen die gesellschaftliche Ineffizienz zunehmend ansteigen lässt und so den Zerfall fördert. Aus diesem Grund scheint es wichtig, dezentrale verortete Strukturen in erster Linie wieder zu beleben, die Demokratie dezentral zu verorten und den Vergesellschaftungsprozess laufend und effizient zu gestalten. ...

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Rippelmarken am Ufer des Tegeler Sees - Selbstorganisation unbelebter Strukturen. Photo: K.-D. Wolter


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Zellen - fraktale Struktur und Selbstorganisation belebter Strukturen.
Photo: © sundstrom, www.sxc.hu


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Fraktale Baumwipfel.
Photo: © erfolgsmatrix, www.pixelio.de

 

Michael Narodoslawsky: Von der Endlichkeit zur Selbstorganisation
19.04.2009

Auszug: ... Wir wollen den Vorgang der Wechselwirkung mit anderen zellulären Einheiten einmal "Perzeption" und jenen des "Verdauens" der Wirkung "Dissipation" nennen. Und hier liegt eine neue interessante Frage: Wie "verdauen" zelluläre Systeme die Wechselwirkung mit anderen Systemen?
Das Interessante daran ist, dass es eine klare Richtung der Dissipation gibt. Zelluläre Einheiten bauen Strukturen, die sie in die Lage versetzen, die nächsten Pulse wenn möglich noch besser zu nutzen. Das bedeutet aber, dass die Prozesse im Inneren der einzelnen Zellen verändert werden müssen. Es müssen "Strukturen" aufgebaut werden. Dabei sind Strukturen nichts anderes, als weitere interne "zelluläre Einheiten", die miteinander in Wechselwirkung treten können. Je mehr und je vielfältiger diese internen zellulären Einheiten sind (die ja nicht anderes als weitere "Prozesse" darstellen), desto kleiner werden die Potentialdifferenzen, die notwendig sind, um das durch die Wechselwirung aufgenommene "Einkommen" des großen eigenen Systems innerhalb der eigenen "großen" zellulären Struktur auszutauschen, desto "kleiner" wird das Potential des Gesamtsystems gehalten und desto mehr kann beim nächsten Puls aufgenommen werden.

Es gibt offensichtlich damit eine ganz klare logische Linie, die von der "Endlichkeit" zur "Wechselwirkung", von der "Wechselwirkung" zur "Zeit", von der Zeit zur Auffassumg der Realität als "Prozess" und von dort zur Eigendynamik der "Selbstorganisation" führt. ...

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Schematische Darstellung der Selbstorganisation bei einer "Benard-Konvektion" (Musterbildung in einer räumliche begrenzten, waagrechten Flüssigkeitsschicht bei Erwärmung von unten) (Graphik: K.-D. Wolter)

Wilhelm Ripl: Raum und Zeit in der Realität
10.03.2009

Auszug: ...  Das wichtigste energiedissipative Medium war dabei das Wasser, das durch raumzeitliche Absenkung der Energiedichte über die ganze Erdoberfläche die Temperatur verteilt und regelt und damit eine Vielfalt von Stoffkreisläufen als Kreisläufe und Lebensprozesse aufbaut.

... Die Beschleunigung der Atmosphäre durch die aus energetischen Anlagen emittierte Wärme (im allgemeinen >50% der umgesetzten Energie) verursacht in Verbindung mit der Vernichtung der temperaturausgleichenden Verdunstung bzw. Taubildung an den Blättern der Vegetation, der Austrocknung der Böden und der Erdoberfläche durch massive Eingriffe in den Bodenwasserhaushalt (Bergbau, Siedlungswasserwirschaft, Landwirtschaft) eine Vernichtung der natürlichen Dämpfungsmechanismen. Diese menschlichen Eingriffe führen zum Großteil zu den heutigen beobachteten Veränderungen des Klimas, zur Überwärmung der Meeresoberfläche und zum Abschmelzen von Gletschern.

Zur Reparatur des veränderten Klimas sind daher völlig andere Maßnahmen erforderlich, als eine Ächtung des Leben spendenden Kohlenstoff Metabolismus und einem Völker- verdummenden Zertifikathandel aufgebaut auf ökonomischen „wissenschaftlichen“ Überlegungen, die sich eben erst durch den Zusammenbruch des Finanzsystems selber falsifiziert haben und die möglicherweise zu einer Verbreitung der unsere Gesellschaften zunehmend bedrohenden Kernkraft mit den irreversiblen Prozessen einer Verseuchung durch radioaktiven Abfall führt.

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Photo: © ostpo, www.pixelio.de

Michael Narodoslawsky: Anfang und Endlichkeit
01.03.2009

Auszug: ... Die Realität ist ... auf ... Endlichkeit und dem damit logisch verknüpften Begriff der Wechselwirkung aufgebaut. ... Sie liegen unserer Realität zu Grunde. ... Energie ist in dieser Sicht wohl nichts anderes als eine „Grundwährung“ der Wechselwirkungen in der Realität. ...

Entscheidend ist hier, dass zwischen den Einheiten, die mit einander in Wechselwirkung treten, zwei Grundbedingungen erfüllt sind: Sie müssen miteinander in Verbindung treten können, etwa dadurch, dass sie an einem gemeinsamen Feld teilnehmen. Und es muss einen Unterschied geben, den es auszugleichen gilt, eine Potentialdifferenz. ...

Du hast nun in Deinem Brief noch auf einen weiteren Begriff hingewiesen, den des „Pulses“. Das ist nichts anderes, als wenn diese Wechselwirkung, der Energieaustausch eine zeitliche Veränderung aufweist. ... Der Puls ändert alles! Er ist dafür verantwortlich, dass wir Strukturen aufbauen und er ist die Grundlage jeder Selbstorganisation. Ich glaube, die Bedeutung, die wir diesem Phänomen beimessen ist das Große Verbindende Band zwischen unseren Ideen. ...

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Photo: © geralt, www.pixelio.de

Wilhelm Ripl: Die Zeitenwende aus Sicht der Natur
01.02.2009

Auszug: ... überzeugt diesen Blog der Zeitenwende zu widmen, die nun mit der weltweiten Krise des ökonomischen Systems über uns endgültig hereingebrochen scheint. Wie ich Deinen Zeilen entnehme, siehst auch Du in dieser Zeitenwende eine historische Zäsur, die weltumspannend und geschichtlich einmalig ist. Aber sie birgt auch Chancen für unsere Zukunftsfähigkeit.

... Die Plünderung der Bürger durch inflationären Zertifikathandel und dem öffentlichen Gelddrucken um die Misswirtschaft der Banken zu verstecken, rundet den beschleunigten Verfall der europäischen und westlichen Gesellschaften und Kulturen ab. All dies sind Folgen der Grenzen des Wachstums, Indikatoren für den Verfall, aber auch die Hoffnungsträger für eine Beschleunigung der Zeitenwende und für neues Grün aus den Ruinen der Industriegesellschaft.

... Subsistenz wird heute noch gemessen am verzerrten Weltmarktpreis, einer durch steuerfinanzierten Straßenbau subventionierten Logistik einer weitgehend kolonisierten, geplünderten Welt und bezahlt durch den Export einer versklavenden Industrie und dem virtuellen Geld einer durch Gier außer Kontrolle geratenen Ökonomie. ...

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Photo: © svilen001, www.sxc.hu

 

Michael Narodoslawsky: Die Zeitenwende ist da
25.01.2009

Auszug: ... Wir stehen vor einer gewaltigen Zeitenwende. Ein neues Zeitalter, in dem sich die Menschheit untereinander und mit der natur vernetzt, steht vor der Tür. Dieses Zeitalter kommt nicht, weil wir sie herbeiwünschen und herbeireden. Es ist ein ganz logischer Schritt in der Entwicklung der Menschheit. Nachhaltigkeit wird das kennzeichnende Paradigma dieser neuen Zeit sein. Sie kommt, ob wir wollen oder nicht. ...

... kommen wir zu einem ganz besonders interessanten Aspekt des Weltbildwandels und der Zeitenwende: Sie sind beide schon da und manifest. Sie wirken nicht nur durch ihre intellektuelle Attraktion, sie sind vielmehr Fleisch oder besser Metall und Plastik geworden.

... Daher ist eine meine Grundthesen ganz einfach: Wir leben schon in der Zeit der Nachhaltigkeit, der Vernetztheit, der neuen Weltsicht. Wir wissen es nur noch nicht. ...

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Photo: © debsch, www.sxc.hu, bearbeitet


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