Regionale Wirtschaft und nachhaltige regionale Entwicklung

Das Pflichtenheft für einen zukunftsfähigen Umbau der Gesellschaft beinhaltet die Umsetzung und Gestaltung der Subsistenzprozesse in (gekoppelter) integrativer Weise. Fragen des Wohnens, der Wasserver- und –entsorgung, der Wärme- und Stromversorgung sowie der Ernährung und des Arbeitspatzes müssen integriert betrachtet und ortsangepasste Lösungsansätze in ihren möglichen Kopplungen dargestellt und bewertet werden. Für ihre Bewertung spielen das Maß der erreichten Internalisierung (Regionalisierung der Kopplungen) auf der physischen Ebene sowie gleichzeitig das Maß der erreichten gesellschaftlichen Vernetzung auf der sozioökonomischen Ebene eine herausragende Rolle.

Stadtumbau muss heute zu Strukturen führen, die sich aus ihrem Umland selbst versorgen können und regionale Märkte bzgl. Subsistenzprodukten, Produktion und Dienstleistung bedienen. Der Herausforderung der globalisierten, fremdenergiebasierten, transportgestützten und ressourcenvergeudenden Scheinmärkte mit den Folgen sozialer Verwerfungen in Gesellschaften kann deshalb nur durch regionale, die Subsistenzproduktion betreffende Kreislaufwirtschaft begegnet werden. Dazu gehören die Täglichwaren, wie Wasser, Lebensmittel, Strom, Wärme, erneuerbare Rohstoffe sowie ein funktional definierter Naturschutz. Dieser hält auf der bewirtschafteten Fläche die Wasserhaushaltsfunktion bzw. Kühlfunktion, die Stoffrückhaltefunktion und damit die Bodenfruchtbarkeit und Wasserrückhaltefunktion integriert aufrecht. Die Produktion der Täglichwaren erfolgt in stofflicher Kreislaufwirtschaft in Stadt und Umland bei produktivem Erhalt der Flächenstandorte des Umlandes.

1.1 Regionale, dezentrale Ressourcenwirtschaft

Der Übergang der Industriegesellschaft in eine nachindustrielle Gesellschaft ohne nennenswerten Zugang zu nichterneuerbaren Energiequellen stellt für unsere Gesellschaft die größte Herausforderung seit etwa 200 Jahren dar und ist durch einige wichtige Meilensteine der Entwicklung geprägt.

Der wichtigste Indikator scheint das Fördermaximum für Öl und Gas in unserer jetzigen Dekade zu sein (Hall et al. in: Günther, 2001). Nach diesem Förderpeak kann der Energiepreis nicht mehr durch Erhöhung der Fördermengen geregelt werden und wird zum Spielball der Marktkräfte und damit in kurzer Zeit für die Interessen und Hauptaktivitäten in unserer heutigen Gesellschaft unerschwinglich. Damit kommt unsere durch Erdöl geprägte Siedlungsstruktur und Zivilisation in eine gefährliche Schieflage, da sämtliche Logistikanteile an unserer Wirtschaft, Ver- und Entsorgung nur mehr äußerst eingeschränkt durchführbar sind. Die höchsten Einsparpotentiale an nicht erneuerbarer Energie liegen im Transportsektor. Es ist daher bereits heute notwendig, Wege zu finden, die Erzeugung der Subsistenz (Energie, Wasser, Nahrungs- und Rohstoffproduktion) die Arbeit und das Wohnen (SAW- Kopplung) so zu verteilen, dass dies mit erneuerbaren Energiequellen möglich wird. Die Herausforderung liegt darin, die globalisierte Kommunikationsgesellschaft bzgl. ihrer physischen Überlebensfähigkeit wieder auf der lokalen Basis zu verankern und dadurch die gesellschaftlichen und physischen Prozesse effizienter und stoffverlustarm zu gestalten. Die zukunftsfähige Stadt muss sich heute bzgl. ihrer Subsistenz als zellular strukturierter selbstversorgender (autarker) Funktionsträger neu definieren, d.h. ihre Stadt-Umlandbeziehung nachhaltig - in regionaler Kreislaufwirtschaft – planen und gestalten. Eine nachhaltige Versorgung der Stadt mit Subsistenzprodukten ist vorrangig ein auf der Fläche angepasst verorteter Prozess und kann zukünftig nur als stofflicher Kreisprozess durch ein optimiertes Ressourcenmanagement betrieben werden.

1.2 Partizipation und Vergesellschaftung der Bürger in der Region

Ressourcenmanagement muss wieder als eine der wichtigsten gesellschaftlichen Tätigkeiten erkannt und als gekoppelter Prozess in der Fläche für eine Umsetzung identifiziert und integriert werden. Ein Denken in Kreisprozessen - getragen von der Erkenntnis der Notwendigkeit und einer stoffverlustarmen Gestaltung des Energieflusses und der daran gekoppelten Stoffflüsse - ist heute keineswegs selbstverständlich und muss daher in neuen integrierten Bildungsmodellen und in einer erkenntnisgeprägten Ausbildung umgesetzt werden. Das Berufsfeld des Ressourcenmanagers sollte in enger Zusammenarbeit mit den Flächenbewirtschaftern, der regionalen Wirtschaft und der Kommune Eingang in Berufsbildung und Forschung finden (siehe Kapitel 6.5). Wie entscheidend Denkstrukturen in Schule und Ausbildung heute wirken, zeigt sich daran, dass die mit sektorisierten Aufgaben betrauten Akteure und gesellschaftlichen Gruppen der Region heute vielfach nicht zu einer zielführenden Zusammenarbeit im Rahmen eines gemeinsam gesteckten Zieles in der Lage sind.

Um Veränderungspotentiale in der Region zu aktivieren, muss lokale Kohärenz durch Partizipation aller an der Subsistenz Beteiligten aufgebaut werden, um integrative (sämtliche Subsistenzprozesse koppelnde) Betreiberstrukturen im Umland und in der Stadt zu entwickeln und den Subsistenzprozess zu internalisieren. Kohärenz in der Region wurde z.B. in sogenannten Zukunftswerkstätten geschaffen, wie im „Vulkanland“ (Oststeiermark, Österreich (http://www.vulkanland.at), vgl. auch Narodoslawky & Krotschek, 2000) erfolgreich gezeigt wurde. Als weitere Beispiele sind Güssing, Österreich (http://www.eee-info.net) sowie Jühnde, Deutschland (http://www.bioenergiedorf.de/Unser_Dorf/Juehnde_01.htm) anzusprechen. Die Integration von Flächenbewirtschaftern, Anlagenbetreibern, Produktion und Vermarktung, Logistik und Vertrieb, interessierter Bürger und funktionalem Naturschutz konnte dort lokal vorangebracht werden. Die Schnittstellen zwischen Produzenten, Konsumenten und Betreibern sind bei Energielimitierung und der Einbettung in die notwendigen Naturprozesse räumlich neu zu bestimmen. Die Partizipation engagierter Bürger ist eine unabdingbare Voraussetzung für eine Erfolg versprechende Umsetzung. Betreibermodelle müssten insbesondere den handwerklichen und technischen wie wissenschaftlichen Stand einbeziehen und unmittelbar Ausbildungsmodelle generieren, die in Rückkopplung zum Stand der Umsetzung praxisnahe Ausbildung und Erfahrung gewährleisten können.

1.3 Wertschöpfung durch Subsistenzwirtschaft – die zentrale Rolle des Flächenbewirtschafters

Vielfach wird angenommen, Wertschöpfung wird ausschließlich durch technische Innovation, wie in der industriellen Produktion als einer Produktion ohne Fläche erzielt. Wertschöpfung kann über die heutige landwirtschaftliche Produktion hinaus nur dann erzielt werden, wenn die Produktion der Subsistenzgüter (Energie, Wasser, Nahrungsmittel, erneuerbarer Rohstoffe sowie alles zur Aufrechterhaltung der natürlichen Funktionalität von Wasser) einer Region integriert auf der Fläche bei gleichzeitigem Bodenaufbau durch stoffliche Kreislaufwirtschaft erfolgt. Intensivproduktion bei gleichzeitigem Ressourcenmanagement auf der Fläche (Kreislaufführung von Wasser und Stoffen) muss deshalb zukünftig zur Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit und damit zur Aufwertung eines nachhaltig nutzbaren Bodens beitragen. Diese Wertschöpfung durch die Produktion täglich benötigter Güter (Subsistenzprodukte) zu vollziehen, ist in Zukunft eine soziale, querwissenschaftliche, technische und logistische Herausforderung und unabdingbare Voraussetzung für die Implementierung einer dezentralen Kreislaufwirtschaft bei hohem Integrationsgrad aller einschlägigen technischen Prozesse. Nur durch Bewirtschaftung der Fläche kann das Ziel einer nachhaltigen Subsistenzgüterproduktion bei Erhalt der Naturfunktionen erreicht werden.

Die kreislaufgebundene Intensivproduktion kann nur dann nachhaltig betrieben werden, wenn diese stoffkonservativ den Effizienzkriterien (wie des Vorhaltens einer optimalen Temperaturdämpfung zwischen Tag und Nacht (Kühlung) der Fläche durch verdunstendes Wasser über das ganze Jahr und der Minimierung der irreversiblen Stoffflüsse über die Gewässer zum Meer) genügt. Die wichtigste Steuerungsvariable in diesem Prozess ist die Steuerung der Verdunstung über eine in der Produktionsfläche optimal verteilte bewirtschaftete Vegetation mit maximal möglichem Wasserrückhalt und Blattflächenindex, die über den Kühl- bzw. Verdunstungsprozess auch die Stoffflüsse minimiert.

Für eine nachhaltige Produktion kann dieser Prozess zusammen mit der Rückführung von Nähr- und Mineralstoffen als verbesserndes Bodenaufbauprogramm für schwache Böden gezielt eingesetzt werden.

Nachhaltig sind dabei Techniken in der Biomasseproduktion, die neben dem Stalldünger, der meist schon für die Produktion von Futter und Lebensmitteln verplant ist, aufbereitetes Abwasser und giftarme an Nutzstoffen reiche Schlämme einsetzen. Schlämme aus zentralen und dezentralen Klär- und Versorgungsanlagen müssen dafür notwendigerweise genutzt werden, um so den entscheidenden Schritt hin zu einer stofflichen Kreislaufwirtschaft zu vollziehen. Abwasser aus der kommunalen Abwasserreinigung ohne Entstickung und Entphosphatisierung sowie Abwasserschlamm stellen unverzichtbare Wertstoffe dar und sind ein hervorragender Dünger in Energiefeldern. Dies konnte bereits in einer vergleichenden Studie (European Commission DG VI, Agriculture, 2003) gezeigt werden.

1.4 Sozioökonomische Aspekte – Einspar- und Ressourcenpotentiale - regionale Steuerung

Eine Analyse der regionalen Einspar- und Betriebspotentiale für einen Stadtumbau im Rahmen einer nachhaltigen sozialen Kreislaufwirtschaft ergibt zwei in Betracht zu ziehende Potentiale:

1. das räumliche Ressourcenpotential, das sich mit der lokalen Produktion der Subsistenzprodukte bei Erhalt und Verbesserung der Funktionen des lokalen Naturhaushaltes beschäftigt.

Derzeit werden in Deutschland auf der landwirtschaftlich genutzten Fläche von etwa 20 Mio. ha 4 Einwohner/ha ernährt. Um Subsistenz bezüglich aller Produkte – also auch von Energie und Wasser vorzuhalten, muss die Prozessdichte pro Fläche mindestens um ein Drei- bis Vierfaches gesteigert werden. Wenn Energie aus erneuerbaren Rohstoffen für die Subsistenz der Bürger nachhaltig erzeugt werden soll, müssen jedoch in Zukunft 12-16 Einwohner/ha ernährt und versorgt werden können (siehe auch Tab. 1, Kap. 6.3).

2. die Einsparpotentiale vorrangig bzgl. der Energie, die es durch geeignete Kopplung von Prozessen und Energieumwandlungsmöglichkeiten ermöglichen können, das regionale Energiepotential so zu nutzen, dass es für eine regionalisierte, zellularisierte Gesellschaft Lebens- und Wirtschaftsmöglichkeiten vorhält.

Den Einsparpotentialen können folgende Stellenwerte zugeordnet werden:

1. Regionalisierung der Waren- und Personaltransporte (Netzkosten, Leitungssysteme, Straßen, Transportkosten von und zur Arbeit) für die Subsistenzprodukte,

2. Kopplung von solarer Energie, Wärme und Wasser auf der Fläche und im Haushalt (solare und thermale Energie, Destillation),

3. Konvertierung von Abfällen zu Nahrungsmittel und Nutzstoffen für die Bodenwertschöpfung, lokale Kreislaufwirtschaft,

4. Neuordnung von Dienstleistung und Kapitalkosten, Entsteuerung der Arbeit, Gewinn von Humanressourcen für die Subsistenzwirtschaft bei steigender Lebensqualität.

1.5 Transport im Subsistenzgütersektor

Als Resultat einer durch Förderungen und Subventionen planwirtschaftlich gesteuerten Ressourcenwirtschaft ist eine hochverschuldete Landwirtschaft bei minimalen Bodenwerten entstanden. Eine durch Wachstum geprägte Gesellschaft auf der Basis nichterneuerbarer Energie in Städten und dichtbesiedelten Gebieten hat zu einer von fossilen Energieträgern (Stickstoffdüngung) abhängigen Bodenbewirtschaftung geführt, dessen Output an Nahrungsenergie (Ernte) höchstens genauso groß ist, wie ihr Input (Betrieb, Flächenbewirtschaftung, Dünger) an fossiler Energie. Wird die Weiterverarbeitung, Transport, Vertrieb und Kontrolle der Nahrungsmittel bis zum Endverbraucher berücksichtigt, steigt der Input an nicht erneuerbarer Energie heute bis über das Zehnfache. Die meiste Energie für die Haushalte wird heute für die Ernährung, die Ver- und Entsorgung und nicht für die Heizenergie und die private Mobilität aufgewendet.

Dementsprechend verteilen sich die Einsparpotentiale. Betragen sie für Heizung und Mobilität etwa 30-50%, so können sie für Nahrungsmittel bei bis zu 90 % liegen.

Eine grobe Betrachtung für einen Vierpersonenhaushalt in Schweden ergibt etwa einen derzeitigen Verbrauch von 18.000 kWh/a für Heizung und Warmwasser, 15.000 kWh/a für die Mobilität und 40.000 kWh/a für die Bereitstellung, die Veredelung und die Verteilung der täglich benötigten Güter wie z.B. der Ernährung. Unter Betrachtung der für heute geltenden mittleren Effizienz auf den einzelnen Sektoren und der heute bereits erzielbaren Effizienz ergeben sich Einsparpotentiale von 8.000 kWh für Wärme und Wasser, 5.000 kWh für Mobilität bei Verwendung etwa eines 5 l Autos und 32.000 kWh bei Erzeugung und Nutzung der Subsistenz in konventioneller dezentraler Produktion pro Vierpersonen-Haushalt, aber vor Ort in weitgehend geschlossenen Kreisläufen und ohne Zwischenhandel und Verteilungslogistik (Günther, F., 2001).

Insgesamt stellt damit ein weitgehender Wegfall der Verteilungslogistik für die Subsistenzprodukte das höchste Einsparpotential. Das Ausmaß des Gütertransportes im Zusammenhang mit der Lebensmittelerzeugung und dem Lebensmittelkonsum wird im Allgemeinen unterschätzt. Innerbetrieblich (maximal bis zum ersten Abnehmer) werden in der Landwirtschaft 408 Mio. t bei einer Transportleistung von 1,6 Mrd. t km bzw. im Durchschnitt 4 km bewegt (Bernhardt, Seufert, Weise, 2001). Weniger bekannt und im Allgemeinen nicht ausgewiesen ist der Anteil des gesamten Energieverbrauches im Ernährungssektor, der im Zusammenhang mit der Verarbeitung, Verpackung und Transport, geschweige denn den Verbraucheraktivitäten entsteht.

In einer groben Abschätzung für das Jahr 1996 (Lauber & Hoffmann, 2001) werden europaweit an insgesamt erbrachter Verkehrsleistung im Lebensmittelbereich für Deutschland etwa 270 Mrd. t km für den Transport von etwa 450 Mio. t Gütern via Schiene, Straße, Binnenschiff und Seeschiff ausgewiesen. Über 80 % dieser Güter werden mit dem Schwerverkehr über die Straße bei einer Verkehrsleistung von 75 Mrd. t km abgewickelt. Das bedeutet, dass die Produkte für den deutschen Lebensmittelsektor mit dem LKW europaweit durchschnittlich etwa 200 km transportiert werden.

Weitere Einsparpotentiale sind neben dem Transport, beim Stromnetz (Transformationsverluste und Überleitungsverluste unseres nationalen Energienetzes betragen über 30 % der bereitgestellten Energie) und Wasser, Abwasser und Abfallver- und Entsorgungssystemen zu erzielen. Die Einsparungen könnten durch die Versorgung der Bevölkerung durch effizientere, dezentrale Stromnetze im Niederspannungsbereich verwirklicht werden. Auch größere Teile des industriellen Produktrecyclings (Wartung und Reparatur) lassen sich bei ihrer Energieversorgung und ihrem personellem Aufwand in Form von Teams in die lokalen zellularen Subsistenzstrukturen integrieren. Nur unter diesen Gesichtspunkten rechnen sich die Investitionen für eine solche Umstrukturierung, allerdings scheint das dafür notwendige Kapital bereits zu fehlen. In naher Zukunft bliebe für eine Umstrukturierung und ihre Finanzierung nur mehr die gezielte Steigerung des Bodenwertes. Dazu ist es jedoch erforderlich, in nachhaltiger d.h. stofflicher Kreislaufwirtschaft den Boden aufzuwerten. Erhöht kann der Bodenwert nur dadurch werden, dass er die Voraussetzung einer Subsistenzproduktion (Wasser, Energie, Lebensmittel, erneuerbare Rohstoffe) für mindestens etwa 12-16 Personen/ha und bei dauerhaftem funktionalem Erhalt dieser Produktionsstruktur erfüllt.

1.6 Regionale Steuerung

Daraus ergibt sich die Notwendigkeit einer räumlichen Integration von Verbrauchern und Produzenten bei gleichzeitiger Energieminimierung für die Transporte in lokaler Kreislaufwirtschaft.

Als ein wichtiges Steuerungsinstrument in diesem Prozess eines Überganges in eine neue Gesellschaftsstruktur ohne Nettowachstum sind genossenschaftlich organisierte durch wieder belebte Deputatwirtschaft als regionalisierter Teil der sozialen Basis (ohne externalisierten maximalen Geldfluss) gekennzeichnete Betriebe. Es hat sich gezeigt, dass unter der Rahmenbedingung erneuerbare Energien und Steigerung der Effizienz für den einzelnen Bürger eine Grundarbeitsleistung für seine Subsistenz anzusetzen ist. Mindestens diese Leistung muss durch genossenschaftliches Arbeiten (Arbeit im Tausch gegen Subsistenzprodukte) allmählich von jeglicher Besteuerung ausgenommen werden. Für diese gesellschaftliche Übergangszeit sind zeitweise auch Parallelentwicklungen mit verschiedenen Organisationsformen denkbar.

Deputatwirtschaft hat sich bei den bisher geglückten Experimenten, die Gesellschaft in subsistenz-autarke Zellen zu zergliedern, bewährt. Deputatwirtschaft bedeutet, dass ein bargeldloser Dienstleistungs- bzw. Warentausch ermöglicht wird, um für die Strukturierungsarbeit eine maximale Effizienz zu erzielen.

Die Rahmenbedingungen müssten im Gegensatz zur ehemaligen Feudalwirtschaft allerdings so geregelt werden, dass keine einseitigen Abhängigkeitsverhältnisse daraus entstehen können, sondern eine neue kreislauffähige Solidargesellschaft in Form einer sozial-ökologischen Wirtschaft über wechselseitige Abhängigkeiten entstehen kann.

Auf persönliche Einkommen Steuern zu erheben, sollte dann verzichtet werden. Zur Besteuerung sollten nur noch Quellensteuern bzw. längerfristig eine proportionale Besteuerung des Marktwertes der Bodenressource (bei entsprechendem Freibetrag), aus der auch die Energie erzeugt wird, herangezogen werden. Diese Entwicklung ist mittelfristig dann von Interesse, wenn ein konfliktfreier Übergang zu einer neuen Gesellschaft durch einen notwendigen Systemwechsel angestrebt wird (Ripl & Wolter 2004, Ripl 2003).

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Abb.1: Nachhaltige Stadtentwicklung (Ripl, Hildmann, & Wolter, unveröff.)

1.7 Szenario Einsparpotentiale durch gekoppelte Produktions- und Logistikstrukturen

Neben dem Transport als entscheidendstem Einsparpotential ist das Produktionspotential unter den natürlichen gegebenen Rahmenbedingungen einer integrierten in Kreislaufwirtschaft betriebenen Flächenbewirtschaftung als entscheidend anzusprechen. In Deutschland leben etwa 80 Mio. Einwohner, denen eine Fläche von etwa 20 Mio. ha landwirtschaftlicher Nutzfläche zur Verfügung steht. Das sind pro Person etwa ein Viertel ha oder pro 4 Personen Haushalt eine Fläche von etwa 1 ha, der nominell heute (als „footprint“) für die Produktion der Subsistenz der Menschen in Deutschland zur Verfügung steht.

Die jährliche Produktionsleistung des Bodens beträgt für erneuerbare Energie aus Biomasse (Weiden, Pappeln, Gräser) 7-16 t atro/ha/a. 10 t Biomasse entsprechen durchschnittlich 5 000 kWh/ha/a Strom und bei einfacher Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) 25.000 kWh/ha/a Wärme. In der Biomassevergasungsanlage Güssing (Österreich) (2.000 kW Strom und 4.500 KW Nahwärme) konnte dagegen der elektrische Wirkungsgrad so gesteigert werden, dass pro ha mehr als 10.000 kWh/a erzielt werden können. Das Werk produziert 17,5 Mio. kWh/a mit 1760 kg/h Holz. Bei einer Ertragsleistung von 10 t/ha/a wird Holz von Kurzumtriebsplantagen von einer Produktionsfläche von 1550 ha benötigt. Das sind pro ha bereits 11.290 kWh/a. (Biomasse-Kraftwerk Güssing GMBH & CO KG – Werk: http://www.eee-info.net)

Der jährliche Verbrauch eines Vierpersonenhaushaltes in Deutschland beträgt im Durchschnitt derzeit etwa 65.500 kWh/a an Energie für Nahrung, Mobilität und Haushalt (Tab.1). Legt man die biomassebasierte Strom- und Wärmeerzeugung mit einem Wirkungsgrad der Anlage in Güssing und Nahrungsmittelerzeugung für 4 Personen auf 1 ha zugrunde, entspräche das etwa dem 7-fachen der Fläche, die dem Vierpersonenhaushalt in Deutschland nominell zur Verfügung stünde.

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Tab. 1: Zahlen für den derzeitigen mittleren Energieverbrauch (kWh/a) und Szenario eines möglichen Einsparpotentials (kWh/a) für einen 4 Personenhaushalt bei konventioneller Nahrungsmittelerzeugung in Mitteleuropa

Ein Pro-Kopf-Verbrauch an grauer Energie für technische und bauliche Anlagen, Fahrzeuge, Geräte etc. ist in dieser Betrachtung der laufenden energetischen Betriebsmittel für Nahrung, Mobilität und Haushalt unberücksichtigt.

Das Ziel der Subsistenzproduktion auf der eigenen Landesfläche für die Bevölkerung in einer nachindustriellen Gesellschaft aus erneuerbaren Energiequellen kann erreicht werden, wenn neben dem zügigen Ausbau der regenerativen Stromerzeugung als Energiemix sämtliche größeren Einsparpotentiale identifiziert werden und diese weitestgehend durch entsprechende Prozesskopplung genutzt werden. Folgendes Szenario ist denkbar:

Das größte Einsparpotential in den Haushalten ist heute mit einen Faktor von 1:10 der auf der Nahrungsmittelproduktion (in konventioneller Erzeugung) liegende Transport, die Verpackung und der Vertrieb bis zum Tisch des Verbrauchers (vgl. auch Kapitel 4.5). Durch kurzgeschlossene Kopplung von Produktion und Verbrauch konventionell erzeugter Nahrungsmittel reduziert sich die benötigte Energie auf etwa 1.000 kWh pro Person und Jahr. Hieran schließt sich als zweitgrößtes Potential der individuelle Transport mit den Fahrten von und zur Arbeitsstelle an. Durch Kopplung von Wohnen und Arbeiten sowie Fahrens eines verbrauchsarmen Autos lässt sich der Verbrauch im wesentlichen auf Urlaubsfahrten, Besuche und andere mit einer Fahrt verbundene private Interessen reduzieren.

Im Haushalt (ein heute üblicher Niedrigenergiehausstandard (< 50 kWh/m2*a) vorausgesetzt) bildet das größte Einsparpotential die Nutzung der dezentral produzierten Wärme (Heizung und warmes Wasser für Bad und Küchengeräte) durch Anlagen mit KWK-Kopplung in einem Nahwärmenetz in Kombination mit einer Warmwasserbereitung über die Solarthermie im Sommer. Sinnvoll ist auch die Kombination mit der Photovoltaik für einen Teil der Stromerzeugung im Sommer.

Grundsätzlich sind auch alternativ zu einer mittelgroßen Anlage für Siedlungen in Wohnblockbauweise Neuentwicklungen KWK-gekoppelter Kleinanlagen mit 4-5 KW Strom und 25 KW Wärme für Einfamilienhäuser attraktiv (vgl. auch http://www.senertec.de und http://www.enginion.com). Insbesondere die Firma „SenerTec“ ist mit dem „Dachs“ erfolgreich auf dem deutschen Markt. Dabei ist zu erwähnen, dass die Energiekosten bereits heute auf Haushaltsebene bei einer Investition von etwa 15. 000,-€ für einen 4-Personenhaushalt unter den heutigen Einspeisungsbedingungen um 70% gesenkt werden können (Firma SenerTec, persönliche Mitteilung vom 4.2.2005).

Weitere Einsparpotentiale wären durch einen Generationenpakt (mehrere Generationen wirtschaften zusammen) erzielbar (Opaschowski 2004). Je mehr Personen (neuer-alter Generationen Pakt) sich zusammen Wärme, Haushaltsgeräte und Licht teilen können, desto geringer fällt der Verbrauch pro Kopf aus.

Dies stellt eine Möglichkeit dar, eine über ihre Beziehungen orientierte bzw. identifizierte Gesellschaft mit neu definierter gesteigerter Lebensqualität zu tragen.

Um den in Tab. 1 ausgewiesenen zukünftigen Bedarf weiter zu senken, ist es notwendig und möglich, die Nahrungsmittelproduktion auf der Fläche zu intensivieren (Steigerung der Prozessdichte/Fläche in teils mehrstöckigen Glashäusern), so dass in Zukunft etwa 12-16 Personen pro ha landwirtschaftlicher Nutzfläche ernährt werden können. Dazu sollte z.B. einerseits die Intensivproduktion in Glashäusern, die mit der aus der KWK-Kopplung produzierten Überschusswärme betrieben werden können, und andererseits die Konvertierung von niederwertiger Biomasse zu Futtermittel für Fisch, Geflügel und Schwein über die bakterielle Nahrungskette weiterentwickelt werden. Eine Biogasproduktion für den Betrieb und die Mobilität in der Flächenbewirtschaftung und lokalen Nahrungsmittelverarbeitung sowie den notwendigen lokalen Transport und Vertrieb für die Ver- und Entsorgung sollte beim Recycling der Nutzstoffe aus Abwasser, Schlämmen, Einstreu, Futterresten, Ernterückständen und anderen biogenen Reststoffen zwischengeschaltet werden. Dieses Potential der Intensivierung der Produktion und Nutzung des Biogaspotentials ist mit einer weiteren Einsparung von hier angenommenen 1.500 kWh/a eher unterschätzt und kann bei effizienter stofflicher Kreislaufführung einen internen Puffer darstellen.

Der sich hieraus ergebende zukünftige Bedarf des Vierpersonenhaushalts könnte danach in diesem Szenario um etwa das 9-10 fache des heutigen Verbrauchs gesenkt werden, d.h. er läge bei etwa 7.000 kWh/a. Seine Umsetzung erfordert und fördert neue Strukturen der Verteilung und Kopplung von Subsistenzproduktion, Arbeiten und Wohnen (SAW) sowie dezentrale Stromversorgungsnetze und Ver- bzw. Entsorgungsnetze. Damit bildet diese Struktur das neue Dorf bzw. den neuen Zellkern für zellularisierte Städte. Für die Subsistenzproduktion einschließlich Gewerbebetriebe und Dienstleistung bis zur Krankenversorgung sind dezentrale Netze im Niedervoltbereich von 24 – 220 V ohne verlustreiches Umspannen ausreichend.

Für Deutschland betrüge der abgeleitete Subsistenzbedarf insgesamt 140.000 GWh/a (16 GW Anschlusswert) auf der Basis von 7.000 kWh/a pro Vierpersonen-Haushalt.

Dieser könnte nach der Studie von Langniß et al. (1997) bei derzeitigem Stand der Technik, Ausschöpfung des zukünftigen technischen Potentials und zügigem Einsatz der notwendigen Investitionen aus einem lokal und regional zu bestimmenden Energiemix mit direkter Solarenergie, Wind- und Wellenenergie aus dem „Offshore“ und küstennahen Bereich, Wasserenergie in bergigen Gebieten, Energie aus Biomasse (Pyrolyse zur Erzeugung von Gas und Koks) und Biogas bis zum Jahr 2030 mit 21 GW, wobei die Biomasse in KWK mit 4 GW (angenommenes Flächenstilllegungspotential in Deutschland) betragen würde, hinreichend abgedeckt werden und es können auch Überschüsse erzielt werden (vgl. auch Langniß et al. 1997, S. 17f).

In der Studie von Peter & Lehmann (2005) gehen die Abschätzungen allein zum Biomassepotential, das vollständig als KWK-Anlagen ausgeführt werden soll, bis 2010 von etwa 18 GW und bis 2020 von etwa 32 GW möglicher Kraftwerksersatzleistung aus (Peter & Lehmann 2005, S. 41f). Sollte sich der Anteil der Biomasse nicht so schnell realisieren lassen, so würden entsprechend mehr KWK Installationen fossil betrieben.

In keiner der Studien werden diese Potentiale allerdings im Zusammenhang mit einer ressourcengesteuerten und intensivierten Flächenbewirtschaftung bei Erhalt und Verbesserung der Naturfunktionen durch Bewirtschaftung und Bodenaufbau, der Subsistenzwirtschaft sowie den damit verbundenen Einsparpotentialen gesehen.

Müsste der oben angenommene Subsistenzbedarf allein aus dem Anbau von Energiepflanzen gedeckt werden, so würden von den etwa 20 Mio. ha landwirtschaftlicher Nutzfläche bei einer Leistung von 10.000 kWh/ha/a etwa 70 % (14 Mio. ha) für die Energiepflanzenproduktion gebunden werden. Dies entspricht in etwa der Relation zwischen der angenommenen Energiepflanzenproduktion und einer dreifach intensivierten Nahrungsmittelerzeugung (12 Pers./ha/a). Mit der Verdreifachung der Intensität der Nahrungsmittelproduktion kommt auf den Vierpersonenhaushalt etwa 1/3 ha für Ernährung und potentiell 2/3 ha landwirtschaftliche Nutzfläche für eine biomassebasierte Strom- und Wärmeproduktion. Am Beispiel der Biomassevergasung Güssing (Österreich) kann gezeigt werden, dass der Wirkungsgrad dieser Anlage bereits so gesteigert werden konnte, dass 7000 kWh/a auf etwa 0,6 ha erzeugt werden können. (s.o.). Auch hier sind die Einsparpotentiale der Logistik nicht einbezogen worden.

Das Potential für eine Sicherung der Subsistenz aus erneuerbaren Energien in Deutschland ist im dargelegten Szenario unter der Voraussetzung einer Minimierung der Transporte, Intensivierung der Landwirtschaft und struktureller Kopplung von Subsistenzproduktion, Arbeiten und Wohnen vorhanden. Aufbauend auf mehreren selbstversorgenden zellularen SAW-Zellstrukturen teilweise mit Teilspezialisierungen sind energie-, logistik- und verteilungsoptimierte fraktale Hyperzellen mit industriellen Aufgaben entwickelbar. Industrielle Produktion und Service können dezentral erfolgen. Dies ist nicht unmittelbar Thema dieser Studie, die sich mit der Subsistenzsicherung im Rahmen einer ressourcenoptimierten Kreislaufwirtschaft als Flächenprozess beschäftigt. Gleichwohl zeigen die oben angezeigten Potentiale, dass bei derzeitigem Erkenntnisstand aufbauend auf die Subsistenzsicherung in SAW-Zellen auf der Basis einer Intensivierung der Produktion bei optimiertem Ressourcenmanagement energieoptimierte Hyperzellen mit industriellen Aufgaben und die Ablösung der grauen Energie auf die in der Subsistenzwirtschaft benötigten Technik auf der Basis erneuerbarer Energien mittelfristig entwickelbar sind.

   
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