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A. Einleitung

Unsere heutige Kulturlandschaft weist in der Regel stark schwankende Abflüsse und daran gebun­den hohe Einträge an festen und gelösten Stoffen in die Fließ­gewässer auf. Für das Unter­suchungsgebiet der Stör bei­spielsweise wurden etwa 1.050 kg/ha/a an Salzausträgen gemessen (NaCl-korri­giert). Die gestei­gerten Stof­fausträge führen nicht nur zur mor­phologischen und zöno­tischen Destrukturierung der Fließgewässer, sondern vor allem zu einem be­schleunigten Verlust der Boden­fruchtbarkeit des Einzugsgebietes. Eine Bewirt­schaftung der Landschaft ist deshalb nicht nachhaltig, d.h. nicht dauerhaft, mög­lich.

In diesem Projekt wurden auf Grundlage einer funktionalen Systembetrachtung Anforde­rungen an eine raum- und zeitangepaßte Bewirtschaftung der Einzugsgebietsfläche zur Senkung der Stoff­verluste an die Fließgewässer abgeleitet. Theoretische Grundlage bil­dete das Energie-Trans­port-Re­aktions-Modell (Ripl 1991), das Ökosysteme als ener­giedisspative Struk­turen be­schreibt. In diesem Modell kommt dem Energieum­satz über das Wasser als Triebfeder land­schaftlicher Stofftransporte zentrale Bedeutung zu. Die we­sentlichen Prozesse werden da­bei in ihrer räumlichen und zeitlichen Verteilung dargestellt.
Ein wichtiger Aspekt in dieser funktionalen Betrachtung von Ökosystemen ist de­ren Selbstoptimie­rung. Die Eigendynamik der Natur führt bei einer ungestör­ten Entwick­lung immer zu einer Steige­rung der Nachhaltigkeit der Landschaft: Der Wasser­haushalt wird durch den Aufbau wasserspeichernder Struktu­ren (z.B. Streu­schicht, Torf) ausge­glichener. Das Feuchtigkeitsniveau steigt an, die vegetationsge­steuerte Pro­zeßrückkopplung (ortskonstante Produktion und Mine­ralisation) nimmt zu. Die Wasser- und Stoffkreisläufe werden in der Regel immer kurzge­schlossener, die ir­reversiblen Austräge in die Fließgewässer in der Folge immer geringer. Die Dauerhaf­tigkeit bzw. Stabilität der Strukturen sowohl zu Land als auch im Fließ­gewässer steigt an.

Die Nachhaltigkeit einer Landschaft kann als funktionales Leitbild verstanden werden, an dem Pla­nung und Bewirt­schaftung zu bewerten sind. Nachhaltig sind dabei nur solche Maßnahmen, die zu einem An­stieg der stofflichen Kreisprozesse gegenüber den irre­versiblen Verlu­sten in die Fließgewässer führen. Voraussetzung für eine nach­haltige Landbewirtschaftung ist eine funktio­nale Orientie­rung an der Selbstoptimierungsstrategie der Natur.

Den Fließgewässern wurde innerhalb des Projektes eine Indikatorfunktion für die Nachhaltigkeit der sie umge­benden Landschaft zugeordnet. Durch den gerichteten Wasser- und daran gebun­denen Stofffluß in der Einzugsgebietsfläche sind sie dieser nachgeordnet. Über ihren Hydro­graphen (Abflußkurve) ei­nerseits sowie die morphologische und zönotische Strukturie­rung an­dererseits spiegeln sie den Wasser- und Stoffhaushalt an Land deutlich wider. Im Rahmen des Projektes wurde ein Beob­achtungsansatz entwickelt, die diese Rückkopplung mittels weniger, einfach zu erfassender mor­phologischer Pa­rameter aufzeigt.
Ziel des Projektes war es, möglichst viel funktionales Systemverständnis über das Einzugs­gebiet der Stör zu gewinnen. Es ist dadurch möglich, räumlich und zeitlich konkretisierte Planungen und Bewirtschaftungsmaßnahmen zur Steige­rung der Nach­haltigkeit der Landschaft einschließ­lich ihrer Fließgewässer abzu­leiten. Aus diesem Grund wurde auch die deduktive Vorge­hensweise der indukti­ven vorgezogen. Entspre­chend beginnt der Projektbe­richt mit einem theoretischen Teil, der das Sy­stemverständnis darlegt; darauf aufbauend schlie­ßen sich die Me­thodik sowie die Ge­bietsanalyse, -bewertung und -planung an.


Vorgeschichte des Forschungsvorhabens

Die Stoffrückhaltefähigkeit der Fließgewässer als Bewertungsgrundlage für die Ab­leitung von Konzepten zur Fließgewässersanierung bildete die Zielsetzung die­ses For­schungsvorhabens. Sie führte im September 1988 in Zusammenarbeit mit dem Mini­sterium für Ernährung, Landwirt­schaft und Forsten sowie dem Landes­amt für Was­serhaushalt und Küsten Schleswig-Holstein zur Formu­lierung des Projektantrages "Modellhafte Erarbeitung eines ökologisch begründeten Sanierungs­konzeptes kleiner Fließgewässer". Das Bundesministerium für For­schung und Tech­nologie empfahl im August 1989 seine Überarbeitung.
Die Überarbeitung des Antrags umfaßte neben der Methodik inhaltlich die Be­urteilung der Stoff­rückhaltefunktion der Landschaft sowie die daraus abzuleiten­den Sanierungs­konzepte. Dabei wurde in den Vordergrund gestellt, daß eine Sa­nierung der Fließge­wässer vor allem über die Be­wirtschaftung des Einzugsge­bietes erfolgen muß. Bei­spielsweise zeigten erste Stickstoffbilanzen aus dem Projektgebiet auf, daß nicht mehr als 20-25% der Einträge in die Fließgewässer aus Punktquellen (Kläranlagen) stammen konnten. Einen größeren Anteil muß­ten dem­nach diffuse Quellen der Landbewirt­schaftung ausma­chen. Die hohen Ein­träge nicht nur an Hauptnährstoffen (Stickstoff, Phosphor) und Basen (z.B. Ka­lium, Natrium oder Magnesium), sondern auch an fe­stem Material führen in den Fließgewässern zur Destrukturierung der Morphologie und der Zöno­sen. Unter dem Titel "Entwicklung ei­nes Land-Gewässerbewirt­schaftungskonzeptes zur Senkung von Stoffverlusten an Gewäs­ser" wurde der Antrag erneut vor­gelegt und im Oktober 1989 vom Bundesmini­sterium für Forschung und Tech­nologie positiv be­wertet.
Nachdem auch die Auswahl der Modellgebiete, die auf Grundlage einer Einzugs­gebietsanalyse der Stör durch das Landesamt für Wasserhaushalt und Küsten er­folgte, näher erläutert und be­gründet worden war, konnte der For­schungsantrag am 20. De­zember 1989 in überarbeite­ter und ergänzter Form er­neut vorgelegt werden. Am 15. November 1990 wurde der Zuwen­dungsbescheid vom Bundes­ministerium für For­schung und Technologie erteilt.
Mit eingebunden in das Forschungsprojekt wurden im Bereich Hydrologie Herr Prof. P. Widmo­ser und im Bereich Bodenkunde Herr Prof. H.P. Blume von der Christian-Albrechts-Universität in Kiel. Außerdem wurden Kontakte zur For­schungsgruppe "Ökosystemforschung im Bereich der Born­höveder Seenkette" (Kiel) hergestellt.

Ein Zusatzantrag "Messungen der energiedissipativen Funktion der Landschaft (Vegetation und Wasserhaushalt) in räumlicher und zeitlicher Verteilung im Einzugs­gebiet der Stör" wurde im Juni 1993 gestellt und im November 1993 ge­billigt (Stör II). Dieser hatte schwerpunktmäßig die Abschät­zung des derzeitigen Stof­frückhaltevermögens der Landschaft zum Inhalt. Theoretischer Ansatz dabei bil­dete der Energieumsatz in der Landschaft über das Wasser. Die sich daraus er­gebende Gebiets­analyse umfaßte Tem­peraturmessungen und deren Kopplung mit Fernerkun­dungsdaten. In diesem Rahmen wurde die Deutsche Forschungsanstalt für Luft- und Raumfahrt (DLR, Köln-Porz) mit in das For­schungsprojekt inte­griert.

Projektorganisation: Förderkennzeichen 03393 10A und
0339538 (Ergänzungsprojekt)

Förderung des Vorhabens: Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft,
Forschung und Technologie (BMBF)

Projektträger: Forschungszentrum Jülich GmbH

Durchführung des Vorhabens

Auftragnehmer: Landesamt für Wasserhaushalt und Küsten Schleswig-Holstein
Projektleiter: Klaus Voss

Wissenschaftliche Leitung: Technische Universität Berlin (TUB),
Institut für Ökologie, Fachgebiet Limnologie, Prof. Dr. W. Ripl

in Zusammenarbeit mit

Deutsche Forschungsanstalt für Luft und Raumfahrt (DLR)
Dr. R. Backhaus

Christian-Albrechts-Universität Kiel (CAU),
Institut für Bodenkunde und Pflanzenernährung
Prof. Dr. H.-P. Blume

Christian-Albrechts-Universität Kiel (CAU)
Institut für Wasserwirtschaft und Meliorationswesen
Prof.Dr. P. Widmoser

Gesellschaft für Gewässerbewirtschaftung Berlin (GfG mbH)

Wissenschaftliche Mitarbeiter:
Arp, W., TU Berlin
Bork, E., DLR Köln
Bornhöft, D., CAU Kiel
Braun, G., DLR Köln
Finnern, J., CAU Kiel
Gerlach, I., GfG Berlin
Heller, S., GfG Berlin
Hildmann, C., TU Berlin
Janssen, T., TU Berlin
Kleinfeld, F., CAU Kiel, GfG Berlin
Krambeck, C., Kiel, Landesamt
Markwitz, M., TU Berlin
Michel, J., GfG Berlin
Splies, A., TU Berlin
Wang, Y., TU Berlin
Wolter, K., Kiel, Landesamt
Rapp, P., CAU Kiel
Schmidt, U., DLR Köln