Download des kompletten Projektberichtes als pdf-Datei (16 MB).
C. Gebietsbeschreibung
C.1. Lage und naturräumliche Eigenschaften
C.1.1. Lage und Flächennutzung
Die Stör entspringt bei Willingrade südöstlich von Neumünster in Schleswig-Holstein. Sie durchfließt die Hohe Geest im Gebiet Neumünster und mündet unterhalb von Hamburg in das Elbeästuar. Untersucht wurde das nicht mehr vom Tidewasser beeinflußte Einzugsgebiet bis Kellinghusen (ca. 1150 km2). Das langjährige Niederschlagsmittel im Einzugsgebiet beträgt 750 - 800 mm im Jahr (Keller 1978), im Untersuchungszeitraum weichen die Niederschlagsmengen hiervon ab (Kap. F.2.1.1). Die mittlere Jahrestemperatur liegt bei 8,3°C.
Die Flächennutzung im Gesamteinzugsgebiet (vgl. Karte Flächennutzung) verteilt sich folgendermaßen (Abb. 23):
-
Abb. 23: Flächennutzung im Gesamteinzugsgebiet (in Prozent)
C.1.2. Geologie und Böden
Der untersuchte Bereich des Stör-Einzugsgebietes besteht geologisch überwiegend aus Schmelzwassersanden des Weichselglazials, die teilweise Sande des Saaleglazials überlagern. Sie nehmen weite Teile der Störniederung und ihrer Zuflüsse ein und bilden die Niedere Geest. Der Nordosten des Einzugsgebietes besteht aus mergeligen weichselzeitlichen Moränen, die naturräumlich zum Östlichen Hügelland gehören. Ansonsten werden die Niederungen von flachen, saalezeitlichen Moränenrücken durchragt, z.B. des Segeberger Forstes im Osten. Sie sind Teile der Hohen Geest.
Die Bodenformen des Gebietes der Stör wurden seitens J. Finnern, soweit keine Bodenkarten vorlagen, kartiert. Das Bodenmuster wurde als Bodenkarte im Maßstab von 1 : 100 000 dargestellt (Bodenkarte, Anhang 2). Es folgt eine kurze Beschreibung der vorherrschenden Böden.
C.1.2.1. Böden der Jungmoränenausläufer
Das Östliche Hügelland besteht vorrangig aus Sedimenten des Weichselglazials mit glazifluviatilen Ablagerungen, Beckenablagerungen und Geschiebemergel der Grundmoräne. Der unveränderte Geschiebemergel ist durch geringe Gehalte an Metallsulfiden schwarzgrau gefärbt. Sulfidoxidation ließ ihn 3 bis 6 m tief verbraunen. Die Prozesse der Entkalkung, Verbraunung, Verlehmung und Tonverlagerung ließen aus dem Geschiebemergel der flachwelligen Grundmoräne allmählich Parabraunerden mit einer Entkalkungstiefe von 0.8 bis 2 m entstehen. Die sandiglehmigen Eluvialhorizonte sind 40-60 cm mächtig. Diese und die folgenden lehmigen Tonanreicherungshorizonte sind unter einer naturnahen Waldbestockung stark versauert (pH-Werte 3.5-4.5). Die Tiefenlagen der Entkalkung und Tonverlagerung nehmen von Westen nach Osten ab. Zugrunde liegt dem, daß die Moränen im Westen um 5000 bis 7000 Jahre älter sind und von vornherein sandiger und kalkärmer waren. Hinzu kommt eine Abnahme der Niederschläge und damit der Versickerungsraten von West nach Ost. Der infolge starken Eisdrucks dichte Geschiebemergel bewirkte ebenso wie die Tonanreicherung einen Wasserstau, so daß viele Parabraunerden in ebener bis flacher Muldenlage pseudovergleyt sind.
Kuppige Endmoränen sind sandiger und weisen tiefgründig entkalkte Braunerden auf, ebenso wie die sandigen Kameszüge. Manche sind podsoliert, besonders unter Fichtenforsten, manche besitzen im zweiten Meter dünne Tonbänder als Ergebnis einer Tonverlagerung.
Die meist sandigen Senken sind von Grundwasserböden beherrscht. Gleye, Anmoorgleye und Niedermoore sind vertreten. Teilweise sind sie mit Wiesenkalk angereichert.
Die Mehrzahl der ackerbaulich genutzten lehmigen Parabraunerden und sandigen Braunerden ist mehr oder weniger stark erodiert. Viele Unterhänge und Senken weisen daher Kolluvien auf. Kleine vermoorte Senken sind häufig erst durch ihre mehr oder weniger mächtige Bedeckung mit Kolluvien ackerfähig geworden. Die landwirtschaftlich genutzten Böden sind durch Erhaltungskalkung und Düngung mit Nährstoffen angereichert und weisen demzufolge noch pH-Werte zwischen 6 und 7 auf.
Mit der Verkoppelung der Ackerflächen im 18.Jh. wurden Wallhecken, sogenannte Knicks, angelegt. Die unter den oft tiefgründig humosen Wällen begrabenen Böden stellen wichtige Zeugen mittelalterlicher Ackernutzung dar.
C.1.2.2. Böden der Niederen Geest
Im Bereich der Niederen Geest dominieren nährstoffarme, sandige Böden mit hohen Grundwasserständen. Die vorherrschenden Sandersande des Weichselglazials sind extrem tonarm (< 2%), tiefgründig entkalkt und entbast. Entkalkung und Entbasung erfolgten oft bereits im Spätglazial, begünstigt durch ehemals tiefere Grundwasserstände. Mit dem Anstieg des Meeresspiegels im Holozän vernäßten die Niederungen und es entstanden extrem versauerte Gley-Podsole und Podsol-Gleye (pH-Werte zum Teil unter 3). Die mit Humus angereicherten und oft zu Ortstein verfestigten Unterböden der Gley-Podsole enthalten auch Eisenoxide, nicht hingegen die etwas tiefer gelegenen Podsol-Gleye. Deren ausgewaschenes Eisen und Mangan wurde teilweise in typischen Gleyen angereichert, und zwar vor allem parallel zu Bachläufen. Der Raseneisenstein dieser Gleye wurde bis in die 40er Jahre dieses Jahrhunderts verhüttet. In den 60er Jahren wurden die Reste des Raseneisensteins zusammen mit Ortsteinhorizonten der Gley-Podsole im Zuge der Flurbereinigung durch Tiefenumbruch gebrochen und damit zerstört. Weitere Senken der Niederen Geest sind vermoort, teils als Hoch- oder Niedermoore, stellenweise auch als Mudden. Dabei waren wurzelechte und auf Niedermoortorfen aufgewachsene Hochmoore stark vertreten. Seit dem letzten Jahrhundert wurden die Moore entwässert und kultiviert, so daß heute intakte Hochmoore praktisch nicht mehr existieren.
Im Ostteil der Niederen Geest wurden die Schmelzwassersande in geringer Mächtigkeit (0.5 bis 1 m) von Geschiebesand überdeckt. Auch hier haben sich Braunerde-Podsole bis Gley-Podsole entwickelt. Sanderlandschaften werden von einzelnen flachen saalezeitlichen Moränenrücken mit unterschiedlich stark podsolierten Braunerden und tiefgründig lessivierten Parabraunerden durchragt. Die hohen Grundwasserstände der Niederen Geest erschwerten die menschliche Besiedlung. Ortschaften entstanden daher vornehmlich auf den flachen Moränenrücken, den Holmen. Für sie sind z.T. graue, braune und graubraune Plaggenesche als Zeugnis starken menschlichen Einflusses charakteristisch. Heute sind nahezu alle Böden der Niederen Geest unter intensiver landwirtschaftlicher Nutzung: Die Moore und Podsol-Gleye unter Grünland, Braunerde-Podsol und Plaggenesche unter Ackerbau. Durch regelmäßige Kalkung und Düngung sind die Böden mit Nährstoffen angereichert und weisen pH-Werte zwischen 4 (Moore) bis 5.5 (Podsol-Braunerden) auf. Die sandigen Böden erfordern in trockenen Sommern eine Zusatzberegnung.
C.1.2.3. Böden der Hohen Geest
C.1.3. Vegetation
Auf den nährstoffarmen und meist podsolierten Böden der Niederen und Hohen Geest hat der Buchen-Eichenwald den größten Anteil an den ursprünglichen Waldgesellschaften. Allerdings ist ein großer Anteil der möglichen Standorte in Nadelholzforste überführt oder wird landwirtschaftlich genutzt. Die Baumschicht setzt sich mit wechselnden Deckungsanteilen an Fagus sylvatica, Quercus robur und Q. petraea zusammen; nur in Einzelfällen erreicht auch Sorbus aucuparia die Baumschicht. Die Artenzusammensetzung der Strauchschicht bleibt bis auf die sich verjüngenden Baumarten auf Sorbus aucuparia, Frangula alnus und Ilex aquifolium beschränkt.
Im Verbreitungsgebiet des Birken-Eichenwaldes wird ein Großteil der möglichen und produktionsschwachen Standorte heute von Kiefernforsten eingenommen. Standorte des Birken-Eichenwaldes sind Dünen und Flugsanddecken mit Regosolen sowie Podsole mit mächtigen Orterde- oder Ortsteinhorizonten. Der Charakter dieser Wälder, die großflächig von der trockenen Variante des Buchen-Eichenwaldes durchsetzt sind, wird im wesentlichen von der in der Baumschicht vorherrschenden Stieleiche bestimmt, der einige Exemplare der Sandbirke beigemischt sein können. In Senken im Binnendünenbereich, auf abgetorften Hochmooren und Podsol-Gleyen ist der Pfeiffengras-Birken-Eichenwald verbreitet. In seiner Baumschicht tritt Betula pubescens als Feuchtezeiger auf. In der Krautschicht sind besonders die Horste von Molinia caerulea auffallend.
Lebende Hochmoore mit andauernder Torfbildung sind in Schleswig-Holstein nur noch in Resten vorhanden. Mit den bereits im vorletzten Jahrhundert begonnenen intensiven Entwässerungs- und Abtorfungsarbeiten haben diese ihren natürlichen Charakter eingebüßt und ihre standörtlichen Bedingungen wurden irreversibel verändert. In den wasserführenden - und daher als Wuchsort für die Moorbirke zu nassen - Torfstichen findet sich als aktuelle Vegetation eine Wollgras-Gesellschaft. Großflächig abgetorfte, stark entwässerte und gesackte Hochmoorkörper werden von einem Birkenbruchwald eingenommen. Im Unterholz treten als stetige Sträucher Sorbus aucuparia und Frangula alnus, vereinzelt auch Salix aurita auf.
Auf grundwasserbeeinflußten Standorten können Gley-, Anmoorgley- und Niedermoorbereiche kleinflächig assoziiert sein. In Abhängigkeit vom Bodenwasserhaushalt und Bodentyp sind daher Alnus glutinosa-Gesellschaften und Fraxino-Alneten mosaikartig verzahnt. Auf Mooren mit Höchstwasserstand im Flurniveau dominiert die Erle. Auf Gleystandorten mit etwas höherem Flurabstand des Grundwassers tritt die Esche stärker in Erscheinung und ein Erlen-Eschenwald kann sich entwickeln.
C.2. Historische
Entwicklung des Gebietswasserhaushaltes
C.2.1. Einleitung
Bei der ungestörten Entwicklung eines Ökosystems werden die Wasser- und Stoffkreisläufe immer kurzgeschlossener. Dabei nimmt seine Nachhaltigkeit, gemessen als Verhältnis von Stoffumsatz zu Stoffverlusten, immer mehr zu (Kap. B). Charakteristisch für diese Entwicklung ist eine Abnahme der Dynamik im Bodenwasserhaushalt: Bei immer rascherer und kleinräumigerer Wasserzirkulation werden wechselfeuchte Phasen des Bodens zugunsten dauerfeuchter Phasen seltener. Die Stofffreisetzung und -verlagerung mit dem Wasserfluß in tiefere Bodenschichten bzw. in die Fließgewässer wird verringert und statt dessen zunehmend als stoffverlustarmer Kreisprozeß über die Zönosen betrieben.
Anthrophogene Eingriffe in den Wasserhaushalt der Landschaft haben deren nachhaltige Funktionsweise immer mehr herabgesetzt. Die irreversiblen Verluste betragen für das Einzugsgebiet der Stör heute etwa 1t Salze/ha/a (das entspricht ca. 20 kmol Protonen/ha/a). Der Anteil basischer Kationen, wie z.B. Calcium, Magnesium oder Kalium, liegt bei knapp 30%. Die Austräge sind erheblich größer als die Einträge über Düngung und Niederschlag. Bei begrenztem Stoffvorrat im pflanzendurchwurzelbaren Oberboden sinkt dadurch die Nutzungszeitspanne der Landschaft durch den Menschen nichtlinear. Noch steht genügend bezahlbare Fremdenergie (z.B. fossile Energieträger) für die Düngung bzw. Pufferung der Böden zur Verfügung, so daß der Verlustprozeß derzeit nur an einzelnen Orten, z.B. als Waldsterben, sichtbar wird. Doch wird bei fortlaufenden Austrägen der Anteil an Basen im pflanzendurchwurzelbaren Oberboden im Vergleich zu den schwerer löslichen, nicht pflanzennutzbaren, z.T. sogar giftigen Stoffen (z.B. Quarzsand, Schwermetalle) immer geringer (Kap. F.1.1.6), der finanzielle Aufwand zum Ausgleich der Stoffverluste immer höher.
Die zunehmende Öffnung der Stoffkreisläufe durch anthropogene Eingriffe in den Landschaftswasserhaushalt soll im folgenden für das Einzugsgebiet der Stör nachvollzogen werden.
C.2.2. Historische Entwicklung
des Wasserhaushaltes im Einzugsgebiet der Stör
Ansatzpunkte über die historische Entwicklung des Gebietswasserhaushaltes lassen sich dabei aus alten Karten (vgl. Abb. Anhang 2, C.2.2), Gebietsbeschreibungen, Flurnamen, Beschreibungen über die Entwicklung der Lebensumstände und Lebensweisen der Menschen sowie über die allgemeine Entwicklung der technischen Möglichkeiten ableiten. So zeigt z.B. ein Vergleich der "Topographisch Militärischen Charte des Herzogtums Holsteins" (1789-1796) mit der heutigen Nutzung deutlich, daß der Waldanteil zwar geringer und der Heideanteil höher, der Anteil von Retentionsstrukturen, wie z.B. Mooren, jedoch erheblich höher gewesen war. Die damals ausgeprägtere Mäandrierung der Gewässer deutet außerdem auf eine gegenüber heute stärker herabgesetzte Abflußgeschwindigkeit hin.
Beschreibungen der Naturgeschichte Holsteins, wie sie Schröder & Biernatzki (1855) liefern, lassen auf einen wesentlich höheren Waldanteil im 13. und 14. Jh. rückschließen. Zum Zeitpunkt der Erstellung des Buches 1855 dagegen muß der Segeberger Staatsforst Heide gewesen sein. Auf einem Teil der "Segeberger Haide", zu dem der Segeberger Staatsforst gehört, befand sich noch im 14. Jahrhundert ein Wald, der Urwald genannt wurde. Anschaulich beschreiben dies Schröder & Biernatzki (1855:27) wie folgt:
"Außerdem wirkte bedeutend auf die Beschaffenheit, namentlich die Mitte des Landes, die übertrieben starke Entwaldung, welche die Zeit vorgeschrittener Culturentwicklung mit sich brachte. Es waren ehemals fast alle Haiden des Landes, alles hügelige Terrain der Westseite, selbst gegenwärtig mit Flugsand bedeckte Strecken so gut wie der Osten des Landes mit dichten Waldungen bedeckt. [...] Noch vor 200 Jahren waren nachweislich die jetzt fast mit Flugsand bedeckten Blankeneserberge mit dichten Waldungen bedeckt und das ganze Amt Reinbek durchzog noch im 13. Jahrhundert von einem Ende bis zum andern die große aus Eichen und Buchen bestehende Waldung Asbrok. Auf einem Theil der jetzigen Segeberger Haide stand noch im 14. Jahrhundert eine große Waldung, der Urwohld genannt, und von Lütjenburg bis Schleswig erstreckte sich einst die ungeheure Waldung Isarnho. Die zu rasche Zerstörung dieser Wäldermassen legte der Verheerung der Westwinde die Mitte des Landes schutzlos blos; die entwaldeten Strecken waren viel zu bedeutend, um damals alle angebaut zu werden und bedeckten sich rasch mit Haide und Flugsand; das Klima wurde rauher und die Physiognomie des Landes wurde ohne Zweifel unwirthlicher, wie sie es gewesen war."
Verschiedene Entwicklungen waren für die Entwaldung entscheidend. Ein erster Schub ist schon in der frühen Eisenzeit festzustellen, da für die Eisengewinnung aus Raseneisenerz ein großer Holzbedarf bestand. Wie Reimer (1978:19) in seinem Buch über die Geschichte des Aukrugs schreibt, befand sich in dem Gebiet zwischen Neumünster und Jevenstedt in der frühen Eisenzeit das Eisenhüttenzentrum Holsteins. Das Holz hierzu lieferte die Ilohheide, die "erst nach diesem Riesenverbrauch vollständig entwaldet und der Heide anheimgefallen ist". Stange (1971:248) schreibt zum Einfluß des Menschen in der vor- und frühgeschichtlichen Zeit:
"Wenn in der vor- und frühgeschichtlichen Zeit dem Menschen bereits größere waldvernichtende Wirkung zugeschrieben werden kann, so erstreckt sie sich hauptsächlich auf die beiden Geestzonen. Viehverbiß - vor allem in der Bronzezeit - und Eisenverhüttung der Eisenzeit haben auf dem Mittelrücken auch deshalb ein größeres Vordringen der im Unterholz bereits vorhandenen Heide erlaubt, da die zunehmende Degradierung der Geestböden eine schnelle Wiederbewaldung wie auf den kalkreichen Böden des Östlichen Hügellandes erschwerte."
Ab Mitte des 12.Jh.s nahmen die ansteigenden Lebensbedürfnisse und ein erhöhter Bedarf an landwirtschaftlicher Fläche zur Ernährung der Bevölkerung Einfluß auf die Entwaldung (Reimer 1978:22). Auch dürften der Schiffbau der Hanse und die vielen Kriege im 17.Jh. nicht unerheblich zur Entwaldung Schleswig-Holsteins beigetragen haben. Stange (1971:248-251) beschreibt zum Einfluß der Landwirtschaft und des Schiffbaus:
"Zweifellos hat die direkte Erweiterung der Ackerflächen durch Rodung den größten Anteil an der Waldvernichtung. [...] Während im Bereich der Güter die Wälder teilweise bewußt erhalten wurden [...], vernichteten die Bauern den Wald oft völlig (Probstei, Fehmarn). Waldweide und Schweinemast haben entsprechend ihrer großen Bedeutung in der damaligen Landwirtschaft einen starken Anteil an der Degradierung der Wälder. [...] Der Bedarf des Bauernhofes an Holz für Brennholz, Bauholz und Zaunholz hat überall gleichbedeutende Mengen verschlungen. Als der schwindende Wald nicht mehr den Brennholzbedarf decken konnte, griff man auf die Torfmoore zurück [...].
Im Gegensatz zu einigen deutschen Mittelgebirgslandschaften [...], hatte die Raseneisenerzverhüttung nur in frühgeschichticher Zeit im Lande Schleswig-Holstein eine Rolle gespielt und zur Waldvernichtung beigetragen. Hingegen erreichte die Köhlerei im ganzen Land große Bedeutung besonders im Östlichen Hügelland, da sich die hier vorherrschende Buche gut zur Köhlerei eignete. Die im 16. und 17. Jh. aufkommende Glasindustrie war ebenfalls hauptsächlich auf das Östliche Hügelland beschränkt. Der Holzverbrauch war sehr groß, da einer der benötigten Rohstoffe, Pottasche, erst aus Buchenasche gewonnen werden mußte und die Brennöfen natürlich auch mit Holzkohle beschickt wurden. [...] Auf Grund der hohen Holzpreise und des Holzmangels gingen die meisten Glashütten schon im 18. Jahrhundert wieder ein. [...] Die reiche Ausstattung mit Häfen an West- und Ostküste und die von der Nordseeküste her das Land erschließenden Flüsse Eider, Stör, Wiedau u.a. förderten frühzeitig den Holzexport, so daß Schleswig-Holstein zum wichtigsten Lieferland für Schiffsholz (Eichen) nach Holland und England wurde. Das Fehlen einer geregelten Forstwirtschaft führte zum Holzraubbau, zur Waldverwüstung."
Einen weiteren Hinweis auf den früheren Zustand einzelner Feldmarken geben die Flurnamen. Die Flurnamen Neumünsters und seiner Umgebung sind z.B. von Prien (1929) in der Karte der Flurnamen von Neumünster und Umgebung festgehalten worden. Nach Reimer (1978:22) lassen sich die Flurnamen in vier Gruppen einteilen, "nämlich solche, die auf Wasser, Wald, Heide und altes Kulturland hindeuten. Auf Wasser deuten hin: Segn, Soll, Saal, Siek, Sichten, vi oder veh, Born, Furt, forth, Weddel, Hue, Pott, Diek, Rönne; auf altes Ackerland: Esch, Kamp, Rüm, Lann, Feld, Stücken, Spann, Koppel, auf Wiesen: Mede (mitbek, Meewisch). Für Heide kommt dies Wort und auch Viert in Betracht. Die größte Menge unserer Flurnamen weist auf Be- oder Entwaldung hin. [...] Auf Waldbestand deuten hin: Wohld, Hölln, Holln, Holt, Hagen, Loh, Horst, Hesel, Heise, Struck, Busch, Staf, Bast, Brok, Raa, Ratjen, Rehm, Stubben, Kölln, Kahln, Kohlstä, Ek, Bök, Barken, Eller, Weten, Wetjen, Dorn, Dör, Hassel u.a.".
Interessant ist der folgende Hinweis des Autors: "Eine Betrachtung der Flurnamen ergibt demnach, daß der Aukrug einst bedeutend mehr Wasser und Wald zeigte als heute. Urbares Land war nur in geringer Menge vorhanden" (Reimer 1978:22).
Der nicht wesentlich gestiegene Waldanteil (8,6%) wird von Stange (1971:247f) auf die Ungunst der natürlichen geographischen Faktoren (starke, häufige Westwinde; Niederschlagsminima in den Monaten April, Mai; Nachtfrostgefahr durch mangelnde Bodenwärme; Fehlen von Nadelbäumen aufgrund der milden Winter) zurückgeführt. Er räumt allerdings ein:
"Die ungünstigen Bedingungen reichen aber doch nicht aus, um die starke Entwaldung des Landes zu erklären. Wenn man heute stärkere Waldbildung zur Milderung der klimatischen und bodengeographischen Schäden anstrebt, dann muß aber auch der umgekehrte Schluß richtig sein: solange der Wald reichlich vorhanden war, konnte er sich auch in dem von ihm selbst geschaffenen Schutz, in seinem Kleinklima, natürlich regenerieren."
Die Aufhebung der Feldgemeinschaften, für die Schleswig und der königliche Teil von Holstein zwischen 1758 und 1771 feste Grundsätze und Regeln erhielten, führte ab 1724 zu einer starken Zunahme des Ackerlandes und der Koppeln, wobei die Koppeln aus Heide, Wald und Bruch gewonnen wurden (Reimer 1978:108,109). Die ersten Bestrebungen, der Entwaldung und Verheidung entgegenzutreten, entstehen um 1870 und äußern sich z.B. in der Gründung des "Ersten schleswig-holsteinischen Waldverbandes" am 25.März 1875 (Reimer 1978:151). Das Statut galt für die Dörfer Homfeld, Innien, Bargfeld, Bünzen, Sarlhusen, Wiedenborstel, Meezen und Hennstedt.
Eine großräumige Entwässerung der Landschaft vor Mitte des 19.Jh. scheiterte u.a. an den enormen Kosten und den unzureichenden technischen Möglichkeiten. Reimer (1978:155,156) beschreibt den Ausbau der Bünzau: "Durch den Aukrug fließt die Bünzau. [...] Das Aubett ist nur schmal, und dabei flossen die Auen und Bäche in vielen Krümmungen dahin, wie das bei Auen mit geringem Gefälle immer der Fall war. Schon vor 1800 waren zwischen Böken und Bünzen Begradigungen vorgenommen worden, um schnelleren Wasserabfluß zu schaffen. Pastor Domeier in Nortorf berichtet in den Provinzial-Berichten 1790, daß die Bünzau sehr oft ihre Ufer übersteigt und das Wiesental in einen See verwandelte, [...]"
Am 27.1.1882 wurde dann die Bildung der "Bünzau-Entwässerungs-Genossenschaft" beschlossen, die den Lauf auf etwa 1/3 verkürzen sollte. Die Regulierung konnte in der Folgezeit die Überschwemmungen nicht ganz verhindern, da 1908 und 1920 die Buckener Au und die Fuhlenau reguliert wurden und das Wasser wieder schneller floß. 1933/34 wurde so durch den Arbeitsdienst die Bünzau auf 11m verbreitert, was immer noch keine völlige Abhilfe schaffte (Reimer 1978:156).
Die Möglichkeiten zur Drainage feuchter Senken wurde erst mit der Erfindung der Zylinderröhrenpresse durch den Engländer Whitehead 1845-48 geschaffen (Leister 1953:184,185). Die Kosten für die Verfahren, die vorher genutzt wurden, waren nach Leister so hoch, daß diese sich nur reiche Gutsbesitzer leisten konnten. "Erst durch die Röhrendrainage entstanden so jene sauberen, zusammenhängenden, flächigen Koppeln, die heute der Landschaft im Osten Schleswig-Holsteins ihr Gepräge geben" (Leister 1953:185). Diese Beschreibung ist bezüglich der Entwicklung des Drainageneinsatzes und der damit einhergehenden Nivellierung der Landschaft sicherlich auch auf das Störgebiet übertragbar. Die kleinräumige geomorphologische Ausformung der Landschaft mit Hügeln und feuchten Senken wurde an die großräumige Ausformung angepaßt. Damit wurden die kleinräumigen Retentionsbereiche zerstört. Der Prozeß der Auswaschung von Basen und Nährstoffen aus der Landschaft in die Fließgewässer wurde wesentlich beschleunigt.
Zusammenfassung
Die beschriebene Landschaftsgeschichte läßt den Schluß zu, daß das Gebiet der Stör zwar schon frühzeitig im 15./16.Jh. zu einem großen Teil entwaldet gewesen sein muß, die großflächigere Entwässerung aber erst zu Beginn des 18.Jhs., besonders mit der Aufhebung der Feldgemeinschaft, einsetzte. Die Überschwemmungen der Bünzau dieser Zeit hängen eng mit der Entwaldung zusammen. Wenn der Boden den "Bewirtschafter des Bodenwassers", den Wald, verliert, kommt es zu einem erhöhten bzw. schnelleren Abfluß der Niederschläge (meßbar als höherer Abflußbeiwert). Diese eher oberflächlichen bzw. oberflächennahen Abflüsse führten zwar in einigen Bereichen zur Erosion, das erodierte Material wurde aber weiter unterhalb abgelagert (Selbststrukturierungsprozeß der Landschaft, Kap. B.3). So kann dieser Prozeß in erster Linie als ein Verlagerungsprozeß in der Landschaft betrachtet werden. Erst durch die Entwässerung, die zu den hohen Austrägen gelöster Basenstoffe mit Schichtenwasserabfluß führte, wurde daraus ein irreversibler Verlustprozeß in Richtung der globalen Senke Meer. Die Entwässerung brachte es außerdem mit sich, daß die Landschaft geomorphologisch nivelliert wurde. Mit dem zunehmenden Wegfall der natürlichen Stoffsenken in den Niederungen wurden die Akkumulationszonen immer weiter in Richtung Gewässer verschoben. Mit der Absenkung des Bodenwasserspiegels wurde der Wasserhaushalt und damit auch der Stoffhaushalt des Bodens dynamischer. Die gesteigerten Austräge unter der anthropogenen Bewirtschaftung haben die Nachhaltigkeit der Landschaft herabgesetzt und damit auch die Zeitspanne einer möglichen Nutzung durch die menschliche Gesellschaft.
Tab. 1: Auszüge aus der schleswig-holsteinischen Forstgeschichte in Zahlen; (Quelle: Minister für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Fischerei des Landes Schleswig-Holstein 1989: 61ff).