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D. Methodik

D.1. Heuristik und Mustererkennung

D.1.1. Heuristik

Bei der Wahl der Methodik steht zu Beginn die Frage nach der zweckmäßigsten Vorgehensweise: Wie kann der gesuchte Prozeß, wie können mögliche Veränderungen oder Zu­sammenhänge am schnellsten erkannt werden? Es gibt (mindestens) zwei grundsätzlich ver­schiedene Herangehensweisen:

Für die Untersuchung des Stör-Einzugsgebietes wurde bewußt der deduktive Ansatz ausgewählt. Dieser erscheint für die Analyse natürlicher Systeme wesentlich besser geeignet. Die not­wendigen Analysen und Einzelbeobachtungen können allmählich stark reduziert werden, da nicht alle möglichen auf das System einwirkenden Faktoren, sondern nur die als wesentlich erschei­nenden zu untersuchen sind.

Die deduktive Methodik ermöglicht es, die Vorgehensweise an die gezielten Beobachtungen zu­rückzukoppeln. Die gewonnenen Erkenntnisse erweitern die bisherige Erfahrung und beein­flussen damit das weitere Vorgehen. Diese Vorgehensweise kann als heuristischer Erkenntnis­prozeß bezeichnet werden. Bei der deduktiven, heuristischen Methodik wird, ausgehend von der vorhandenen Erfahrung, eine Erwartungshaltung generiert und durch die Beobachtung der Natur überprüft. Abweichungen deuten auf Prozesse oder Zusammenhänge hin, die bislang noch nicht berücksichtigt wurden. Diese können so erkannt werden und die Wissensbasis verbreitern, bis die Änderung der Erwartungshaltung nur noch marginal ist.

Auf der Grundlage der deduktiven Methodik können die beobachteten räumlichen und zeitlichen Ebenen auch in eine Hierarchie eingeordnet werden, z.B. in der Abfolge Gesamtgebiet - Teilein­zugsgebiet - Teilfläche oder Jahr - Jahreszeit - Tag. Diese Hierarchie ermöglicht es, den Einfluß der festgestellten Prozesse abzugrenzen und einzuschätzen. Beispielsweise wird der Einfluß ei­nes Prozesses auf Tagesbasis wenig Einfluß auf das Jahresmuster haben. Die in der Hierarchie weiter oben stehenden Ebenen können dazu dienen, Abweichungen untergeordneter Ebenen darzustellen: Räumlich können z.B. die Abweichungen der Teileinzugsgebiete vom Gesamtgebiet aufgezeigt werden, zeitlich z.B. die Differenzen zwischen dem Abfluß eines monatlichen Inter­valles zum ganzen Jahr. Die übergeordnete Ebene dient als Referenzrahmen. Die Abweichungen (Residuen) von dieser lassen die Eigenheiten der Teilgebiete deutlicher hervortreten (Regionalanalyse, s.u.). Daraus kann auf die dafür verantwortlichen Prozesse geschlossen wer­den.


D.1.2. Muster

Prozesse, Strukturen und deren Verteilung sind in der Natur nicht zufällig. Deshalb reicht ein ein­zelner Mittelwert, der die zeitlichen und räumlichen Phasen der Prozesse nicht berücksichtigt, nicht für die Beschreibung der Natur aus. Ein wesentlicher Teil der Infor­mation besteht in der räumlichen und zeitlichen Verteilung der Werte. Wird eine Beobachtung über eine gewisse Zeit oder einen bestimmten Raum hinweg fortgesetzt, lassen sich bei passen­der Wahl der Beob­achtungsfrequenz Muster, d.h. kontinuierlich wiederkehrende Phasen, erken­nen (Bsp.: Tages­gang der Temperatur, vgl. Anhang 2, E.1.1). Diese Muster sind das Ergebnis energiedissipativer Pro­zesse (s. unten).

Die Ergebnisse der Beobachtungen können für jeden Parameter oder Prozeß in einer Verteilung (Häufigkeitsverteilung oder Summenkurve) dargestellt werden. Zusammenfassend können aus den Einzelbeobachtungen Perzentilwerte, ein Mittelwert (z.B. als mittlere Prozeßintensität) und ein Streuungsmaß (z.B. die Varianz oder die Amplitude) berechnet werden.

Die Einzelbeobachtungen sind in der Regel nicht normalverteilt (größte Häufigkeit beim Mittel­wert, Abweichungen vom Mittelwert nach oben und nach unten gleich häufig), sondern schief verteilt (Häufung bei geringeren oder höheren Werten). Zur Beschreibung und Einschätzung von Prozessen wird nicht nur der Mittelwert herangezogen, sondern auch die Varianz, da diese nicht als zufällig angesehen werden, sondern in einem dissipativen System Rückschlüsse auf die Pro­zeßkopplung und die Effizienz ermöglichen.

Wird die Beobachtung lange genug fortgesetzt, kann das Muster mehrmals aufeinander folgend erfaßt werden (z.B. mehrere Tagesgänge der Temperatur). Jeder Beobachtungszyklus (z.B. Tag) wird etwas vom vorherigen abweichen. Deshalb ist es sinnvoll, das mittlere Muster zu bilden. Dazu sind die Mittelwerte und die dazu gehörigen Varianzen für jeden sich wiederholenden Zeit­punkt über den ganzen Zyklus zu berechnen. Verändert sich das Muster mit zunehmender Beobachtungs­dauer, weist dies auf einen anderen, übergeordneten Prozeß hin. So verändert der jahreszeitlich modulierte Energiepuls das tägliche Temperaturmuster (vgl. Kap. E.1.1). Aus dem Muster kann auch die erste Ableitung, die die Steigung der Kurve und damit den Grad der Verän­derung des Parameters ausdrückt, gebildet werden. Dadurch sind die Phasen starker Verän­derung, d.h. ho­her Prozeßdynamik, deutlich zu erkennen (z.B. Erwärmung und Abkühlung).

Die Muster einzelner Teilgebiete bzw. Zeiträume können von dem Muster des Gesamtgebietes abweichen. Treten diese Varianzen in einem zeitlichen Muster auf, ist dies auf Unterschiede in der räumlichen Struktur zurückzuführen. Beispielsweise können Differenzen im Abfluß (zeitliches Muster) durch die unterschiedliche Landnutzung oder Hangneigung der Einzugsgebiete bedingt sein (räumliche Struktur). Die Varianz räumlicher Muster ist hingegen mit dem Energiemuster (zeitliche Komponente) zu erklären. So sind die Varianzen der Oberflächentemperatur im Satelli­tenbild (räumliches Muster) in jahreszeitlich unterschiedlichen Aufnahmezeitpunkten begründet.

Beispiele für räumliche Muster

Beispiele für zeitliche Muster:

Die Verteilung kann neben der Abbildung der Muster auch in Form von Verteilungs­diagrammen (Summenkurven) dargestellt werden (vgl. Abb. 24). In diesen Diagrammen wird die Summenhäu­figkeit eines Parameter (z.B. Abfluß in m3/s) für die Gesamtheit aller Werte (0-100% Perzentile) oder eines Teiles (z.B. 5-95% Perzentile) angegeben. An der oberen x-Achse sind die Werte ab­solut und relativ aufgetragen, an der unteren x-Achse als Mittelwertsfaktor (d.h. die auf den Mit­telwert normierte Schwankung). Die Anzahl der zugrunde gelegten Messungen ist an der y-Achse vermerkt (n ges). Die einge­zeichneten dicken Linien kennzeichnen den Mittelwert des Daten­satzes als Absolut- und Relativwert an der oberen x-Achse und als Perzentilwert an der y-Achse. Das Gesamt­mittel des Datensatzes ist unter der Graphik angegeben. In der Beispielsgraphik ist der Bereich der 10-90% Perzentile durch Schraf­fur hervorgehoben. Dieser wird durch dünne, unterbrochene Linien begrenzt, die das Able­sen des jeweiligen Absolutwertes ermög­lichen.

Abb_24.gif

Abb. 24: Beispiel eines Verteilungsdiagramms. Auf der linken Achse sind die Perzentilwerte aufgetragen. Aus ihnen kann abgelesen werden, wieviel Prozent der Meßwerte (die nach der Größe sortiert sind) unter oder über einem bestimmten Meßwert liegen. Der Medianwert ist identisch mit der 50%-Perzentile. Auf der oberen Achse sind die Meßwerte prozentual aufgetragen (Minimum = 0%, Maximum = 100%) und als Absolutwerte (hier der Abfluß in m3/s). Die untere Achse zeigt die Meßwerte als Vielfache des Mittelwertes.

Anhand solcher Verteilungsdiagramme lassen sich Meßwerte als Perzentilwerte angeben, was eine Einschätzung bezüglich ihrer Unter- bzw. Überschreitungswahrscheinlichkeit ermöglicht.

Beobachtungsfrequenz

Damit über die Beobachtung Muster abgebildet werden, muß die Häufigkeit der Beobachtung bzw. die Größe des betrachteten Raumes auf den zu beobachtenden Prozeß abgestimmt sein. Bei ei­ner zu geringen Beobachtungsfrequenz werden Prozesse mit höherer Frequenz nicht er­kannt (z.B. Tagesschwankungen mit monatlichen Messungen). Wird keinerlei Muster festgestellt, so ist dies ein Hinweis auf eine zu geringe Meßfrequenz. Eine zu hohe Meßfrequenz bildet zwar den Prozeß ab, liefert aber auch redundante Daten (Daten ohne Informationsgehalt, unnöti­ger Meß- und Verarbeitungsaufwand).

Bedeutung von Mittelwert und Varianz

Wird ein Prozeß (z.B. der Abfluß) beobachtet, so gibt der Mittelwert die relative Prozeßintensität wieder. Die Standardabweichung ist ein Maß für die Amplitude des Prozesses und kann so auch die Dämpfungseigenschaften des Systems ausdrücken. Über die Veränderung (1. Ableitung) der beiden Größen ist darüber hinaus eine Beurteilung möglich, wie spontan bzw. wie gedämpft der Prozeß verläuft. Mittelwert und Schwankungsmaß werden nicht als statistische Größen verwen­det. Statt dessen dienen sie als Kennwerte der ermittelten Verteilungen und der darüber ausge­drückten Prozesse.

Das Muster energiedissipativer Prozesse

Die Energie aus der Wechselwirkung der Sonne mit der Erde weist eine tägliche Amplitude auf, die in unseren Breitengraden deutlich jahreszeitlich moduliert ist (zeitliches Energiemuster). Energie­dissipative Systeme, wie die ZKSen, dissipieren den Energiepuls und lenken die resul­tierende Temperatur mehr oder weniger effektiv in Richtung des Mittelwertes ein (vgl. Kap. B.2). In Abhängigkeit von der Effizienz des Energieumsatzes eines Gebietes spiegeln sich die tägli­chen und jahreszeitlichen Muster des Energiepulses in den Temperaturen wider (vgl. Kap. E.1.1). Da die Energiedissipation zu großen Teilen durch die Verdunstung und Kondensation von Was­ser erfolgt, weist auch der Abfluß ein jahreszeitliches Muster auf (vgl. Kap. F.2.1.2).

Jeder dissipative Prozeß besteht aus vier Phasen: In der Ausgangsphase (I) weisen die Werte nur geringe Schwankungen auf, wie z.B. die nächtliche Oberflächentemperatur einer Wiese. In der An­stiegsphase (II) ändern sich die Werte relativ schnell. Beispielsweise erwärmt sich im Laufe des Vormittags die Wiese an einem Sommertag sehr rasch. Während der Haltephase (oder Ab­flaufphase) (III) weisen die Werte nur noch geringe Schwankungen auf, so wie die Temperatur der Wiese in den frühen Nachmittagsstunden. In der Abstiegsphase (IV) kühlt die Wiese wieder aus, die Werte verändern sich wieder rascher. Diese Phasen finden sich in anderen Prozessen, wie z.B. dem Jahresverlauf des Abflusses, ebenso wieder.


D.1.3. Heuristik zur Erfassung des Stoffaustragsprozesses

Die Analyse des Stoffaustragsprozesses hat zum Ziel, durch ein verbessertes Systemverständ­nis, d.h. ein Verständnis der Prozesse in ihrer räumlichen und zeitlichen Kopplung, die andauern­den Stoffverluste über eine veränderte Bewirtschaftung zu reduzieren (Steigerung der Nachhal­tigkeit, vgl. Kap. B.5).

Ableitung der Meßfrequenz

Um den Stoffaustrag erfassen zu können, sind vor allem der Abfluß und die chemische Zusam­mensetzung des Wassers zu messen. Dazu ist eine zeitlich und räumlich angepaßte Meßfre­quenz bei möglichst geringem Meßaufwand notwendig.

Die räumliche Abgrenzung wird durch den gerichteten Fluß des Wassers, dem Transport- und Re­aktionsmedium, vorgegeben. Deshalb bieten sich Einzugs- bzw. Teileinzugsgebiete als räumliche Abgrenzungen an. Das Gebiet der Stör wurde, ausgehend von der zunächst vorgesehenen Si­mulation von Abflußdaten, in Berechnungsabschnitte unterteilt (vgl. Karte Berechnungsab­schnitte, Kap. D.5.4).

Die zeitliche Abgrenzung leitet sich aus dem die Prozesse antreibenden Energiemuster mit tägli­cher Frequenz und jahreszeitlicher Modulation ab. Die Schwankungen des Abflusses sind stark von den Niederschlagsereignissen abhängig, die ihrerseits den energiedissipativen Verdun­stungsprozeß der Vegetation bzw. der Meeresoberfläche widerspiegeln (vgl. Kap. B.3). Die Nie­derschlagsereignisse weisen in unseren Breitengraden kein Tagesmuster auf und dauern teil­weise nur kurze Zeit an. Dies gilt auch für besonders abflußwirksame Starkregenereignisse. Des­halb wurde für die Abflußmessung eine hohe Meßfrequenz gewählt (Meßsonden mit 20minütiger Auflösung). - Die Stoff­austragsmuster als Resultat der täglichen Energiedissipation sind eher im Jahresmuster zu er­kennen (Kap. F.2.1.3). Deshalb wurde die Probenahme auf einen monatlichen Rhythmus (zu Beginn: zweimo­natlichen) beschränkt. Die Auswertung zeitlich hochauflösender Leitfähigkeitsmeßsonden recht­fertigt dieses Vorgehen, da der mögliche Fehler innerhalb tolerier­barer Grenzen liegt (vgl. Kap. F.1.1.3).

Hierarchische Vorgehensweise

Um die Bedeutung des Stoffverlustprozesses der einzelnen Teileinzugsgebiete für das Gesamt­gebiet einschätzen zu können, werden die Muster des Gesamtgebietes als Referenzrahmen ver­wendet (Mittelwert und Standardabweichung, z.B. der Konzentration oder des spezifischen Ab­flusses). Dabei können folgende räumliche Ebenen unterschieden werden:

Musteranalyse und Rückkopplung

Aus den Messungen können die Muster der Konzentrationen, der Abflüsse und der Frachten er­stellt werden. Der Vergleich der Muster läßt eine Differenzierung der Gebiete, z.B. nach ihren Ab­flußcharakteristika, zu. Die Ergebnisse der Analyse sind unter Kap. F.2.1 dargestellt.

Durch die rückgekoppelte Vorgehensweise ist es möglich, die bisherige Erwartungshaltung auf­grund von Abweichungen zum beobachteten Muster zu modifizieren. Diese Abweichungen sind ebenfalls in Kap. F.2 dargestellt.


D.2. Analyse der Transportprozesse anhand der Gewässermorphologie

D.2.1. Indikatoreigenschaften der Fließgewässer

Im landschaftlichen Selbstoptimierungsprozeß sind die Fließgewässer über den ge­richteten Was­ser- und Stofffluß der Einzugsgebietsfläche nachgeordnet. Morphologie und Zönosen eines Fließgewässers spiegeln dabei über ihre Strukturierung die Dyna­mik im Wasser- und Stoffhaus­halt des Einzugsgebietes wider. Sie können daher als Indika­toren des landschaftlichen Wir­kungsgrades betrachtet werden (Kap. B.4).

Der heute nur geringe landschaftliche Wirkungsgrad, der für das Einzugsgebiet der Stör aus der Entwicklung des Landschaftswasserhaushaltes sowie über die Gebiets­analyse (Kap. C.2) abge­leitet werden kann, geht in den Fließgewässern mit einer hohen Dy­namik der Strukturen einher: Die hohen Stoffein­träge und Schwankungen des Hydro­graphen (Kap. F.1.3) führen temporär zur Dominanz weiträumi­ger Mate­rialtransporte (verlustreiche Energiedissipation, Kap. B.4.1). Bei un­gehinderter Entwicklung der Gewäs­ser entstünden durch die Verla­gerungsprozesse hauptsäch­lich in Mündungsbe­reichen oder Flußaufweitun­gen Auflan­dungs- und damit verbunden Überschwem­mungszonen. Durch ihre gefällemindernde Wirkung wären diese Verlandungen Aus­gangspunkte ei­ner rück­schreitenden Materialakku­mulation unter Verbreiterung des Fließquer­schnitts. Die so vergrö­ßerte Phasengrenz­fläche Wasser-Substrat erhöhte den Strömungswider­stand des Fließge­wässerbettes allmählich. Folge dieser Fließgewässerentwicklung wäre eine nachhaltigere Funktionsweise, charakterisierbar als Rückgang großräumiger Materialtransporte zugunsten kleinräumigerer Beschleu­nigungen und Verzöge­rungen des Wassers entlang weitge­hend stabiler Oberflä­chen (verlustarme Energiedissipation, Kap. B.4.1).

Wesentlich beschleunigt wird die Entwicklung der Fließgewässer in Richtung einer nachhaltigeren Funktionsweise durch den Eintrag von abgestorbenem Pflanzenmaterial (Laub, Totholz). Die dar­aus gebildeten Strömungshindernisse tragen im Gegensatz zur Wasserve­getation auch außer­halb der Vegetationsperiode sowie in beschatteten Ab­schnitten zur Stoffretention im Fließgewäs­ser bei.

Die heutige Gewässerbewirtschaftung verhindert neben der Verkleinerung bzw. Beseitigung der Gewässeraue auch durch das Unterbinden von Uferero­sion (Uferbefestigung), Begradigung und durch das Entfer­nen sedimen­tierten Materi­als (Räumung von Gräben und Sandfängen), daß die Ge­wässer eine der Abflußdyna­mik entsprechende dissipative Struktur entwickeln können. Sen­ken sowohl für die eingetragenen als auch für die im Gewässer erodierten Stoffe werden dadurch weiter in Richtung der globalen Senke Meer verlagert. Weiträumige Materialtransporte in den Fließgewässern werden so aufrechter­halten, weshalb die Nachhaltigkeit der gesamten Land­schaft dauerhaft mini­miert ist.

Eine entwickelte morphologische Gewässeranalyse soll eine Abschätzung über den Stoffrückhalt im Fließgewässer und damit über dessen Nachhaltigkeit in der Funktionsweise geben. Diese Strukturanalyse ist somit als eine Prozeßanalyse zu ver­stehen. Betrachtungsschwerpunkt bildete der Strukturierungsgrad des Fließgewässers in Abhängigkeit der dortigen Transportprozesse (stoffverlustreiche bzw. -arme Ener­giedissipation im Gerinne, Kap. B.4.1, D.2.1). Da die Dynamik der Transportpro­zesse wesentlich vom Abflußgang bestimmt ist, stellte die Abflußkurve zusam­men mit gezielt ausgewählten morphologischen Kriterien die wesentlichen Untersuchungspa­rameter dar. Diese Prozeßanalyse wurde beispielhaft an drei Gewässern in Teilein­zugsgebieten der Stör durchgeführt. Auf ihrer Grundlage konnte eine Aussage bezüg­lich der Nachhal­tigkeit nicht nur des Fließgewässers, sondern auch des gesamten Ein­zugsgebietes ge­troffen werden.

Hervorzuheben ist, daß diese Methodik zur Abschätzung der verlustarmen Funktions­weise grundsätzlich auf jedes Fließgewässer angewendet werden kann, unabhängig von dessen Größe, Unterhaltung oder Untergrundbeschaffenheit. Diese Unterschiede führen lediglich zu Ab­weichungen in der Art des dominierenden Parti­kelspektrums sowie der Größe der Wasserbe­schleunigungs- und -verzögerungszonen und der daran gebundenen Strukturverteilung. Ab­schätzungen der gewässerspezifi­schen Stoffrück­haltefähigkeit sind jedoch bei zusammenhängli­cher Betrachtung sämt­licher Strukturpa­rameter und bei Einbeziehung des Hydrographen den­noch möglich.

Herkömmliche Beschreibungen zur Funktionsweise von Fließgewässern unterscheiden sich von dem vorliegenden durch ihren vorwiegend strukturell geprägten Ansatz (z.B. Lawa Rheinland-Pfalz 1994). Dieser Ansatz greift auf das Idealbild eines naturnahen Gerinnes zu­rück. Auf Grundlage dieses Idealbildes werden den Verhältnissen beim Sohlsubstrat, dem Profil oder der Ufer­vegetation bestimmte Naturhaushaltsfunktionen zugeordnet, wie z.B. Hochwasserrück­haltevermögen oder Lebensraumbildung für Zönosen. Damit wird der Struktur vorrangige Be­deutung für die Funktionsfähigkeit des Gewässers zugeord­net und nicht dem abflußabhängigen Selbststrukturierungsprozeß, der die Morphologie und Zönosen sowohl in der äußeren Ausbil­dung (Vielfalt) als auch in der Funktionsweise (z.B. Stabilität/Dauerhaftigkeit) prägt.


D.2.2. Die Indikatoreigenschaft der Morphologie für die Transportprozesse im Gewässer

D.2.2.1. Auswahl der morphologischen Parameter

Ziel der Analyse war die Beschreibung von Strukturmerkmalen, die auf eine stofftransportarme Dissipation im Fließgewässer rückschließen lassen. Dabei wurden folgende Parameter ausge­wählt:

Der Formfaktor

Der Formfaktor beschreibt anhand des Gewässerquerschnittes die Strömungswider­stände im Gewässerbett und damit die Intensität der Materialtransporte bei der Ener­giedissipation. Mit dem Wasserspiegel schwankt auch der Formfaktor (Abb. 25): In einem verlustarm funktionierenden Gerinne ist der Strömungswiderstand durch die Aufwei­tung und Abfla­chung des Fließquerschnitts maximiert (Kap. B.4.1). Ver­bunden damit wird schon bei geringem Abflußanstieg ein Uferübertritt begünstigt. Der vergrößerte Gewässer­querschnitt und Strömungswiderstand in der Gewässeraue lassen den Formfaktor je nach Ausmaß der Abflußerhöhung erheblich ansteigen. Geringe Schwan­kungen des Form­faktors bei Hoch- und Niedrigwasser charakterisieren dagegen einen fehlen­den Uferüber­tritt des Wassers. Seine unzureichende Verzögerung bei Abflußanstieg, Folge des mini­mierten Strömungswiderstandes durch den nur geringen be­netzten Fließquerschnitt, be­günstigt intensive Materi­altransporte.

Abb_25.gif

Abb. 25: Der Formfaktor verschiedener Querschnittsformen von Gewässerprofilen.
Li.: Himmelreichbach, Kartierquerschnitt 17. Re.: Himmelreichbach, Kartierquerschnitt 12. Maßstab 1:100. Durchgezo­gene Linie: Wasserstand am Tag der Kartierung. Gestrichelte Linie: Möglicher Hochwasser­stand. FfHW: Formfaktor bei Hochwasser, FfNW: Formfaktor am Tag der Kartierung mit Niedrigwas­serführung.

Einfluß auf die Wasserverzögerung im Gerinne nimmt das Verhältnis von benetztem Umfang zur Querschnittsflä­che: Der Querschnitt eines halbkreisförmigen Profils be­sitzt den ge­ringsten Um­fang und setzt daher der Strömung den ge­ringsten Widerstand entge­gen. Je mehr das Gewässer­profil von dieser Form abweicht, desto stoffverlu­stärmer funktioniert das Fließgewässer.

Der Formfaktor (Ff) berechnet sich aus dem Verhältnis des Umfangs des benetzten Fließquer­schnitts (UG) zum Umfang eines Halbkreises (UK) gleicher Querschnittsflä­che (Berechnung vgl. Anhang 1):

Ff = UG : UK

Die Angaben des Formfaktors bei Hochwasser beruhen dabei auf geschätzten Wasserstän­den. Eigene Beobachtungen und die Befragung von Flächenan­liegern be­stätigen eine grobe An­näherung an reale Verhältnisse. Die angenommenen Wasser­stände orientieren sich an der Differ­enz der an den Pegelmeßstellen ermit­telten m.ü.NN am Tag der Kartierung und einem Hochwasserereignis. Der dort er­mittelte An­stieg des Wasserstandes wurde prozentual auf die einzelnen Querschnitte im Ge­wässer übertragen (Methodik vgl. Anhang 1).

Der Pflanzenformfaktor

Während der Vegetationsperiode stellen die Oberflächen submerser Wasserpflan­zen zu­sätzliche Strömungswiderstände dar. Sie wurden daher als Pflanzenformfaktor dem be­netzten Umfang des Gewässerbettes zugeordnet. Besonders in kleineren Gerin­nen kön­nen die Pflanzenoberflächen die Wasserbewegung stark verzögern. Im strö­mungsärmeren In­neren des Bestandes werden da­durch verstärkt Sedimente und orga­nisches Material akku­muliert und sind Ausgangspunkte einer fortschreitenden Gerin­nestrukturierung (Abb. 26).

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Abb. 26: Links: Einsetzende Strukturierung des Gewässerbettes durch Unterwasservegetation Oben: Ein Sproß findet im Gewässerbett Halt und vermehrt sich vegetativ. Mitte: Der entstehende Schwaden ver­zögert die Wasserbewe­gung und fördert die Sedimentbildung (punktiert dargestellt). Un­ten: Der an Höhe zugenommene Schwaden verengt den darüberliegenden Fließquerschnitt. Das dort beschleu­nigte Wasser bildet hinter dem Hindernis Wirbel. Folge ist eine Sohlerosion, die zur Unter­spülung bis hin zur Loslösung des Schwadens füh­ren kann. Deutlich sichtbar wird auch, daß das Was­ser durch das Hin­dernis in vertikale Schwingungen ver­setzt wird, die in Fließrichtung zur Ausbildung von Erosi­ons­tälern und Sedimentbänken führen (nach Gessner 1955:290, verändert). Rechts: Das durch den Schwaden seitlich verdrängte Wasser hat das Ufer erodiert. Der Gesamtfließ­querschnitt ist dadurch verbreitert worden (Photo der Schmalfelder Au).

Der Pflanzenformfaktor wurde wie folgt berechnet (vgl. Anhang 1):

Die Breiten-Tiefen-Varianz

Die Breiten-Tiefen-Varianz des Gewässerbettes zeigt die räumliche Abfolge von Fließ­strecken beschleunigter und verzögerter Wasserbewegung und damit die Länge der Verlagerungsstrecken im Materialtransport an. Bei einer stoffverlustarmen Ener­giedissipation dominieren kleinräumige Fließgeschwindigkeitsgradienten, die in der dichten Abfolge aufgeweiteter, flacher und verengter, tiefer Abschnitte sowohl im Längs- als auch im Querverlauf sichtbar werden.

Ermittelt wurde die Breiten-Tiefen-Varianz durch die Differenz zwischen der Gewäs­serbreite am Kartierquerschnitt (Breite Q) und der des darüberliegenden Abschnitts mit veränderter Breite/Tiefe (Breite AQ) sowie der des darunterliegenden Abschnitts mit veränderter Breite/Tiefe (Breite EQ) (Abb. 27):

Breitenvarianzzahl = (Q - AQ) * (Q - EQ)

Die errechneten Werte wurden gewässerspezifisch in vier Klassen unterteilt (vgl. Anhang 1, 1.4).

Abb_27.gif

Abb. 27: Die Breitenvarianz am Beispiel des Himmelreichbachs (Kartierquerschnitt 3, Maßstab 1:200).
Breite am Kar­tierquerschnitt (Q): 14 dm. Breite am darüberliegendem Anfangsquerschnitt (AQ): 8 dm. Breite am Endquer­schnitt (EQ): 7 dm. Die Breitenvarianzzahl ergibt 42, was im Himmel­reichbach ei­nem hohen Wert entspricht (vgl. gewässerspezifische Klassifizierung der Breitenvarianz, Anhang 1).

Das Partikelspektrum

Das Partikelspektrum ermöglicht über das Ausmaß der Korngrößensortierung Rück­schlüsse auf die Abfluß­schwankung und damit auf die Dynamik der Transportprozesse im Gerinne (Kap. B.4.1.1):

Große Abflußschwankungen gehen temporär mit großen räumlichen Fließgeschwin­digkeitsgradienten einher und führen damit zu weiträumiger Substratsortierung nach Größe und Form. Die dadurch entstehende Homogenität des Partikelspektrums wird durch die gleichzeitig gegebenen Extreme in der Niedrigwasserfüh­rung weit­gehend aufrechterhalten: Mit Ausnahme der gefällereicheren Lagen dominieren zeitgleich weiträumig Akkumulationsprozesse. Ein ver­langsamter Sortierprozeß in den Zeiträumen zwischen den Abflußspitzen und damit eine geringe Vielfalt im Partikelspektrum ist die Folge.

Geringe Abflußschwankungen dagegen gehen mit einer fortschreitenden Mate­rialsortierung ein­her. Entlang des so maximierten Strömungswiderstandes bilden sich zunehmend kleine Ge­schwindigkeitsgradienten. Es kommt zur Abfolge unter­schiedlicher Korngrößen auf engstem Raum. Im Ge­rinne vorhandene Strömungswiderstände (z.B. Makrophy­ten, Totholz) be­schleunigen den Sortierprozeß, minimierte Strömungswiderstände, z.B. als Folge der Gewässerunter­haltung, verlangsamen ihn (Abb. 28).

Das Partikelspektrum wurde als prozentualer Anteil einzelner Korngrößenfraktionen des Sohlsub­strats am Kartierquerschnitt geschätzt (vgl. Anhang 1).

Abb_28.gif

Abb. 28: Das Partikelspektrum am Zusammenfluß von Buerwischbek und Schmalfelder Au. Die homo­gene Korn­größenzusammensetzung an den Profilen 1 (Buerwischbek) und 2 (Schmalfelder Au) ist das Ergebnis stark gepulster Abflüsse und daran gebundener Materialeinträge aus dem Einzugsgebiet. Durch die minimalen Strömungswiderstände in den ausgebauten Gewässerläufen fehlen weitgehend klein­räumige Fließgeschwin­digkeitsgradienten. Es findet kaum eine sichtbare Materialsor­tierung statt. Im Bereich des Zusammenflusses (Profil 3 und 4) kommt es aufgrund des vergrößerten Fließquer­schnitts zu einer Wasserverzögerung und damit zu einer verstärkten Materialakku­mualtion. Die dort einsetzende Strukturierung wird durch den zusätzlichen Strö­mungswiderstand siedelnder Pflanzen unter­stützt. Innerhalb der Ge­wässerquerschnitte variiert der Strö­mungsgradient kleinräumiger, es kommt zu einer deutlich sichtbareren Materialsortierung.


D.2.2.2. Festlegung der Kartierquerschnitte

Zur Erfassung der morphologischen Strukturmerkmale wurde der Gewässerlauf in Kar­tierquerschnitte unterteilt. Die Untergliederung erfolgte entsprechend der vor Ort vorge­fundenen Kleinräumigkeit der Gerinnestrukturierung. Änderungen in Breite und Tiefe des Bachbettes, wechselnde Sohlsubstrate oder das Auftreten von Wasserpflan­zen in verschiedenen Dichten dienten zur Festlegung der Kartierquerschnitte. Die Angabe des Anfangs- und Endquerschnitts kennzeichnet dabei die Länge der Fließstrecke, deren Strukturierungs­grad als gleichbleibend er­achtet wurde. Die kar­tierten Querschnitte können daher von Gewässer zu Ge­wässer je nach de­ren Größe und Geomorphologie (Gefälle, Untergrundbeschaffenheit) sowie dem Ausmaß ihrer Unterhaltung (Begradigung) sehr unterschiedliche Abstände aufweisen.


D.2.2.3. Festlegung des Kartierzeitraums

Der Zeitraum der Analyse lag in der Vegetationsperiode (August). Dadurch konnte zum einen die Ent­wicklung submerser Vegetation, einschließlich der Makrophyten, erfaßt werden. Daneben er­leichterten die während der Sommermonate eher niedrigen Was­serstände die Erhebung der morphologischen Strukturmerkmale.


D.3. Meßkonzept

Im Unterschied zur Betrachtung technischer Prozesse ist die Betrachtung natürlicher Prozesse nur in ihrer räumlichen und zeitlichen Verknüpfung sinnvoll, da sie an das zeitliche und räumliche Energie­muster rückgekoppelt sind. Die Wahl des Raum- und Zeitfensters ist entscheidend für die Prozeß­identifikation und den Erkenntnisgewinn; es wirkt sich auch auf die Offenheit bzw. Geschlossen­heit des betrachteten Systems aus. Die Naturbeobachtung kann somit vorrangig als Betrachtung von Verteilungen mit ihren Schwankungen und Mittelwerten aufgefaßt werden. Des­halb sollte zunächst eine Übersicht über den Prozeßverlauf an sehr vielen Meßpunkten gewon­nen werden (z.B. zweimonatige Probenahme an über 200 Stellen, vgl. Kap. 3.2). Die Übersicht wurde dann durch eine Reduktion der Meßpunkte bei gleichzeitiger Erhöhung der Meßfrequenz vertieft (z.B. monatliche Probenahme an 128 Stellen, vgl. Kap. 3.2). Durch weitere Untersuchun­gen, z.B. die Messung der Leitfähigkeit mit zeitlich hochauflösenden Meßsonden, wurde sie in ihrer Beobacht­ungsschärfe gesteigert.

Einen wesentlichen Schwerpunkt bildete die Erhebung der Abflußdaten (Schreibpegel des Landes­amtes bzw. Meßsonden mit 20minütiger Auflösung) mit einer parallelen monatlichen Wasserpro­benahme. Über sie werden die Stoffverluste der Einzugsgebiete ermittelt (Stofffracht = Konzen­tration * Abfluß). Die Stoffverluste ermöglichen eine erste Beurteilung der Einzugsgebiete hin­sichtlich ihres Wirkungsgrades bzw. ihrer nachhaltigen Nutzbarkeit. Zur Absicherung der Fracht­berechnung wurden an einigen Abflußmeßstellen auch Leitfähigkeitsmeßsonden mit 20minütiger Meßfrequenz installiert.

Mit 4-Kanal-Temperatursonden sind die Temperatureigenschaften unterschiedlicher Standorte in einer Bodentiefe von 10 cm, an der Bodenoberfläche sowie in 10 cm und 200 cm Höhe über dem Boden registriert worden. Über die zeitlich hochauflösenden Temperaturdaten kann den Informa­tionen aus der räumlichen Analyse der Flächennutzung und den Thermaldaten vom Satelliten ein Temperaturkennfeld zugeordnet werden.

Durch eine gekoppelte Betrachtung räumlich hochauflösender Daten (Fernerkundung, GIS) und zeitlich hochauflösender Daten (Messungen vor Ort) wird eine Überprüfung der Einzelergebnisse (z.B. der Karte des Wirkungsgrades der Landschaft oder der Verteilung der Oberflächentem­peratur) ermöglicht. Die Repräsentativität der Fernerkundungsdaten bezüglich der Prozesse in der Landschaft kann über die Zeitreihen der Temperatur abgeschätzt werden. So trägt die zeitlich hochauflösende Erhebung der Temperaturdaten erheblich dazu bei, die jahreszeitlichen Veränd­erungen der Landschaft besser über Fernerkundungsdaten beurteilen zu können.


D.3.1. Abflußmessung

Für eine Beschreibung des stofflichen Verlustprozesses und dessen Änderung durch bestimmte Maßnahmen ist eine Erfassung des quantitiven Wasserhaushaltes unabdingbar.

Zur Bestimmung der Abflüsse als frachtbestimmender Größe wurden die Daten von 14 im Ein­zugsgebiet verteilten und vom Landesamt betriebenen Pegeln herangezogen. Zusätzlich waren zwischen Juni 1991 und März 1995 bis zu 24 Drucksonden zur Messung des Abflusses an weite­ren Stellen eingesetzt. Die Installation der Pegel und die Erstellung der Pegelschlüsselkurven wurden in Zusammenarbeit mit dem Institut für Wasserwirtschaft und Meliorationswesen der Chri­stian-Albrecht-Universität Kiel durchgeführt. Die Erstellung der Pegelschlüsselkurven erfolgte nach dem Verfahren des Landesamtes für Wasserhaushalt und Küsten.

Die Hälfte der Abflußsonden wurde Anfang 1993 für die Beobachtung der Bodenwassergang­linien an weiteren Orten eingesetzt, weshalb die Fehlzeiträume durch ein Verfahren zur Abschätz­ung der Abflüsse ergänzt werden mußten. Dieses Verfahren ist in Anhang 1 beschrie­ben.


D.3.2. Konzentrationsmessungen

Um einen Überblick über die Schwankungsbreite der Konzentrationen für einzelne Parameter (An- und Kationen, Alkalinität, Leitfähigkeit, Nährstoffe und Schwermetalle) und deren räumliche Verteilung zu bekommen, wurden 1991 an über 200 über das ganze Einzugsgebiet verteilten Probestellen in zweimonatlichem Abstand Wasserproben genommen. Diese wurden auf folgende Parameter hin analysiert:

Tab_chem-Parameter.gif

1992 wurde zur Absicherung der Verteilungen auf monatliche Probenahme umgestellt und die An­zahl der Probestellen nach folgenden Kriterien auf 128 reduziert:


D.3.3. Einsatz der Leitfähigkeitsonden

Wichtigster Gesichtspunkt bei dem Einsatz der zeitlich hochauflösenden Leitfähigkeitssonden war die Überprüfung der auf monatlichen Probenahmen basierenden Frachtberechnung. Diese Über­prüfung ist möglich, da die Leitfähigkeit ein Summenparameter für die Salzkonzentration ist (vgl. Kap. F.1.1.3). Als These wurde angenommen, daß ein starkes Absinken der Leitfähigkeit nur bei län­ger anhaltenden Regenereignissen im Jahresverlauf auftritt.

Zur Leitfähigkeitsmessung wurden 10 Leitfähigkeitssonden mit 20minütiger Auflösung in der Zeit zwischen März 1994 und März 1995 an 11 Standorten eingesetzt. Die Sonden wurden im März 1994 bei Hochwasser direkt im Gewässer installiert. Zwei Sonden (Standort 3 und 9) fielen bei fallendem Wasserstand im Frühjahr trocken. Diese wurden dann tiefergelegt. Für einen Teil des Sommers fiel die Meßsonde am Standort 7 aus. Der Standort 4 wurde Mitte Juli aufgegeben und der Standort 11 neu eingerichtet. Für die Standorte der Sonden in den einzelnen Ge­wässern sind nachstehend der Gewässername, die Pegelbezeichnungen zur Abflußmessung und die nächst­liegende Probenahmestelle für die monatliche Wasserproben aufgeführt.

Standort 1: Bach südlich von Heinkenborstel, Probestelle D-P3/170.
Standort 2: Osterau (P08/P11), nördlich vom Wildpark, Probestelle F-5/201x.
Standort 3: Stör bei Willenscharen (Landespegel 4135), Probestelle E-4/48.
Standort 4: Bach im Gehege Himmelreich (P01), Probestelle D-Q1-1/171a.
Standort 5: Himmelreichbach (P01), Probestelle D-Q6/171.
Standort 6: Wegebek (P17), Probestelle E-A3/257.
Standort 7: Prediger Au, Probestelle D-D3/111.
Standort 8: Schmalfelder Au (P26), Probestellen G-4/85 u. G-P1/86.
Standort 9: Dosenbek (P04), Probestelle B-F4/126.
Standort 10: Moorablauf Holmer Moor (P26), Probestelle G-7/221.
Standort 11: Stör bei Padenstedt (Landespegel 4200), Probestelle C-4/44.

Die Auswahl der Meßpunkte richtete sich nach folgenden Kriterien:

  1. Absicherung der Bilanzierung der Stoffausträge durch Messung parallel zu einigen Abflußpe­geln.
  2. Unterschiede in der Flächennutzung sollten Hinweise auf deren Einfluß auf die Austräge ge­ben. Meßpunkte in den oberen Einzugsge­bieten, in denen einzelne Nutzungsarten dominie­ren, waren dafür am ehesten geeignet.
Die Leitfähigkeitssonden erfassen die unkorrigierte elektrische Leitfähigkeit und die Wassertem­peratur über zwei Kanäle. Über die Formel
LFkor = LFunkor + (LFunkor * ß20) * (TR - Tgem)
ß20 = [0.0228 + c*(Tgem-TR)]/T0
LFkor auf 20°C korrigierte Leitfähigkeit
LFunkor unkorrigierte Leitfähigkeit
ß20 Temperaturkoeffizient bei 20°C Referenztemperatur
c Veränderung von ß20 pro °C = 0.0001
TR Referenztemperatur
Tgem gemessene Wassertemperatur
T0 1°C

werden die Werte auf eine Leitfähigkeit bei 20°C korrigiert.


D.3.4. Temperaturmessung

Die Dämpfung des Sonnenenergiepulses durch unterschiedliche nutzungsabhängige Vegeta­tionstrukturen wurde durch die Messung ihres zeitlichen und räumlichen Temperaturverhaltens bestimmt.

Dafür wurden acht Vierkanal-Temperatursonden (Abb. 29) mit einer zeitlichen Auflösung von 20 Minuten an neun unterschiedlichen Standorten eingesetzt. Sie waren so installiert, daß die Tem­peratur 10 cm tief im Boden, an der Bodenoberfläche, 10 cm und 200 cm über dem Boden erfaßt wurde. Zeitlich wurde der Tages- bzw. Jahresgang erfaßt. Räumlich wurde an jedem Standort ein vertikales Temperaturprofil in 4 Höhen gemessen.

Abb_29.jpg

Abb. 29: Temperatursonden im Stör-Gebiet. Einige der Standorte im Störeinzugsgebiet: oben links der Ackerrandstandort nördlich des Geheges Himmelreich (Nr. 2), oben rechts der Standort im Dosenmoor (Nr. 6) und unten der Standort des lichten Erlen-Eschenwaldes im Gehege Himmelreich (Nr. 1) - links ein Überblick und rechts die Vergrößerung der Verhältnisse an der Bodenoberfläche.

Die Temperatursensoren waren nicht gegen die Sonneneinstrahlung abgeschirmt. Der Sensor an der Bodenoberfläche war leicht abgedeckt. An zwei Standorten (1 und 5) fielen die Sensoren im Boden ab Mitte September 1994 aus, da sehr wahrscheinlich Wasser eingedrungen war. Am Standort 3 sind im August 1994 durch ein Wildschwein die Sensoren im Boden und an der Bo­denoberfläche freigelegt worden, so daß die Daten für den Zeitraum von Anfang bis Ende August nicht brauchbar waren.

Von dem ursprünglichen Plan, die Sonden im Sommer umzusetzten, wurde Abstand genommen. Dadurch sollte ausgeschlossen werden, daß die Meßreihen unvollständig und vielleicht wegen des Ab- und Wiederaufbaus nicht mehr vergleichbar sind. Es wurde lediglich Mitte September die Sonde vom Standort 4 an den Standort 9 verlegt.

An folgenden Standorten wurde gemessen:

Standort 1: Lichter Erlen-Eschenwald im Gehege Himmelreich.
Standort 2: Übergang Maisacker-Wiese nördlich vom Gehege Himmelreich.
Standort 3: Buchenwald im Gehege Himmelreich.
Standort 4: Dichter Fichtenwald im Segeberger Staatsforst.
Standort 5: Lichter Fichtenwald südlich des Segeberger Staatsforstes, nordöstlich von Hartenholm.
Standort 6: Pfeiffengraswiese im Dosenmoor.
Standort 7: Waldrand (Wald-Weide) östlich von Hartenholm.
Standort 8: Wiese südöstlich vom Gehege Himmelreich.
Standort 9: Feldrand, Übergang Wiese-Kartoffelacker in der Nähe von Standort 7.

Aus den Daten wurden der monatliche Tagesgang und die Standardabweichung für die Tages­zeiten errechnet. Über die Produktbildung aus Tagesmittelwerten und der Standardabweichung für die einzelnen Kanäle und Standorte ist eine Klassifikation der Standorte untereinander bezüg­lich der Dämpfung des Sonnenenergiepulses möglich. Diese Klassifikation bildet ein charakter­istisches Kennfeld, das den betrachteten Vegetationstypen bestimmte Dämpfungseigenschaften zuweist (Kap. E.1.1). Dieses Kennfeld, das nur ein erster Schritt bei der Beurteilung der Dämpfungseigen­schaften sein kann, sollte durch eine fortgeführte Beobachtung (Heuristik) an den alten und an weiteren Meßstandorten verfeinert werden.

Die qualitativen Unterschiede werden bildhaft durch Differenzbildung der Werte des Einzelstand­ortes zu dem am besten gedämpften System (Buchenwald - Standort 3) für die monatlichen Ta­gesgänge und Standardabweichungen dargestellt (Kap. E.1.1).


D.3.5. Bodenwasserpegel

Die Schwankungen des Bodenwasserspiegels geben Aufschluß über die zeitliche Verteilung der wechselfeuchten Phasen im Oberboden. In diesen Phasen läuft die mikrobielle Mineralisationstä­tigkeit beschleunigt ab, wodurch Stoffverluste vorbereitet werden (Kap. F.2). Deshalb sollte für ei­nige Standorte der Bodenwasserspiegel mit hoher zeitlicher Auflösung beispielhaft gemessen werden. Zum Einsatz kamen Drucksonden, die mit den bei der Abflußmessung eingesetzten Meßsonden identisch waren. Die Messung erfolgte in 20minütigen Abständen. Die Meßsonden waren in 2 m langen, geschlitzten Kunststoffrohren (Durchmesser ca. 6 cm) im Boden eingesetzt.

Insgesamt wurden die Meßsonden an 30 Stellen im Stör-Einzugsgebiet installiert (vgl. Karte Hy­drologisches Meßnetz). Einige Meßsonden wurden zwischenzeitlich versetzt, um die Anzahl der Meßpunkte zu erhöhen. Räumliche Schwerpunkte waren der Forst "Gehege Himmelreich" und die Schwale.

Tab. 2: Übersicht über die Bodenwasser-Meßsonden.

Tab_02.gif


D.3.6. Niederschlagsmessung

Für die Erstellung einer Gebietswasserbilanz war es erforderlich den Gebietsniederschlag zu er­fassen. Da es im Rahmen des Projektes nicht möglich war, umfangreiche eigene Niederschlags­messungen durchzuführen, wurde auf Daten von 14 Stationen des Deutschen Wetterdienstes zu­rückgegriffen, die das Wetteramt Schleswig zur Verfügung stellte. Die Stationsnummern und Ortsnamen können Tab. 3 entnommen werden (vgl. Karte "Hydrologisches Meßnetz").

Tab. 3: Verwendete Niederschlagsstationen des Deutschen Wetterdienstes

Tab_03.gif

Um einen Anhaltspunkt über die Niederschlagszusammensetzung im Projektgebiet zu erhalten, wurde der Niederschlag an einer Meßstelle im Nordwesten des Einzugsgebietes (südöstlich von Hohenweststedt, unmittelbar neben der Wasserprobenentnahmestelle 18/D-6), mit drei neben­einander installierten 2l fassenden Gefäßen aufgefangen. Diese wurden parallel zur monatlichen Wasserprobenahme ausgetauscht. Das Niederschlagswasser wurde wie die Wasserproben in Berlin bezüglich der Inhaltstoffe analysiert, so daß im Vergleich mit Literaturwerten ein relativ sicherer Wert für den Eintrag durch Luftdeposition ermittelt werden konnte (Kap. F.1.1.1).


D.4. Fernerkundung

D.4.1. Flächennutzung


Ausgehend von einer digitalen Landsat 5 TM-Szene vom 07.07.87 wurde für das Unter­suchungsgebiet eine Landnutzungs- und Vegetationskartierung durchgeführt. Deren Ziel war die flächendeckende Ausweisung der im Untersuchungsgebiet vorkommenden Wald- und Land­nutzungstypen. Die räumliche Auflösung beträgt 30 * 30 m. Insgesamt konnten bei der von der DLR durchge­führten Klassifizierung 13 Landnutzungs- und Bodenbedeckungseinheiten ausge­wiesen werden. Die Waldvegetation wurde in Laub-, Nadel- und Mischwald unterschieden. Bei der Ausweisung landwirtschaftlicher Flächen wurde zwischen Acker und Grünland unterschieden; bei den offenen Böden ist davon auszugehen, daß es sich um bereits abgeerntete, umgepflügte Flächen oder um Getreide im Stadium der Gelbreife handelt. Die ausgewiesenen Moorflächen wurden interaktiv durch einen ständigen Abgleich mit der topographischen Karte aufgenommen.

Um die Satellitenszene mit anderen Karten im Gauß-Krüger-System vergleichen zu können, mußte sie entsprechend geometrisch korrigiert werden.


D.4.2. Oberflächentemperatur

Der Kanal 6 des Landsat 5 TM kann nach vorhergehender Kalibrierung zur Kartierung der Schwarzkörpertemperaturen eingesetzt werden. Die räumliche Auflösung beträgt 120 * 120 m. Es ist zu beachten, daß ohne atmosphärische Korrektur die absoluten Oberflächentemperaturen Fehler bis zu 1 K aufweisen können.

Um mehrere Zeitpunkte miteinander vergleichen zu können, liegen insgesamt vier Satellitensze­nen zu unterschiedlichen Jahreszeit vor:
07.07.1987
04.09.1991
26.01.1992
17.05.1992

Die Temperaturerfassung erfolgt im Landsat 5 TM durch vier parallel angeordnete Sensoren. Aufgrund der Alterung liefern diese Sensoren jedoch kein einheitliches Signal mehr, so daß im Bild deutliche Streifen zu erkennen sind. Über ein entsprechendes Filter-Programm wurde ver­sucht, diesen Effekt auszugleichen. Bei der Januar-Szene ist dies aufgrund des nur sehr schwa­chen Si­gnals (Temperaturspanne etwa 3 K) jedoch nur bedingt gelungen.

Die Berechnung der Schwarzkörpertemperaturen für die dargestellte September-Szene erfolgte nach Singh (1988). Der im südlichen Drittel der Stör sehr kühl erscheinende Talraum der Schmalfelder Au kann nicht mit dem Rest der Szene verglichen werden, da hier durch einen Ne­belschleier die Landoberfläche durch den Thermalkanal nicht erfaßt wurde.


D.5. Grundlagenkarten

D.5.1. Flächennutzung

Die Flächennutzung des Stör-Einzugsgebietes wurde von der TK25 digitalisiert. Dabei wurde zwi­schen den Nutzungsarten Wald, Acker, Grünland, Moor, Wasserflächen, Siedlung, Kläranlagen und Sonstigen Nutzungen unterschieden. Unter die letzte Kategorie fielen z.B. Tongruben oder Friedhöfe. Neben den Nutzungsgrenzen wurde auch das Gewässer- und Straßennetz erfaßt.

Für die Digitalisierung dienten die vom Landesvermessungsamt Schleswig Holstein in Verbindung mit dem Amt für militärisches Geowesen herausgegebenen Blätter 1824, 1825, 1826, 1827, 1923, 1924, 1925, 1926, 1927, 2024, 2025, 2026, 2027, 2124, 2125, 2126 und 2127; die Karten weisen Berichtigungsstände zwischen 1986 und 1989 auf.

Zusätzlich wurden die Einzugsgebiete digitalisiert dafür wurden TK25-Blätter mit entsprechenden Eintragungen durch das Landesamt für Wasserhaushalt und Küsten bereitgestellt.


D.5.2 Bodenkarte

Nur für einen Teil des Einzugsgebietes der Stör lagen Bodenkarten im Maßstab 1 : 25.000 vor (Kartenblätter 1824, 1924, 1925, 1926, 2024, 2025, 2026, 2125 des Geologischen Landesamtes Schleswig-Holstein). Im Rahmen des Projektes wurden deshalb die vorliegenden Daten durch Geländeerhebungen soweit ergänzt, daß eine Bodenkarte im Maßstab 1 : 100.000 mit Angaben zu Bodentyp und Bodenarten vorliegt (Bearbeitung: J. Finnern und J. Thiele, Institut für Boden­kunde und Pflanzenernährung der Christian-Albrecht-Universität Kiel, Prof. Blume). Die Karte liegt digital im Arc/Info-Format vor. Die genaue Methodik ist im Anhang 1, 8., ausführlich beschrieben.


D.5.3. Digitales Höhenmodell (DHM)

Um Informationen zum Abfluß des Wassers aus der Landschaft und zur Hangneigung zu be­kommen, war ein digitales Höhenmodell (DHM) erforderlich.

Die Industrieanlagen-Beratungs-Gesellschaft (IABG) hat für das Militärgeographische Amt der Bundeswehr ein DHM mit einer räumlichen Auflösung von 25 m für die gesamte Bundesrepublik erstellt. Die Veräußerung von Teilen des DHM erfolgt nur nach Freigabe und Unbedenklichkeits­erklärung durch die entsprechenden militärischen Stellen. Die Universität Kiel verfügt über einen Ausschnitt des DHM der IABG, der sich mit dem Untersuchungsgebiet deckt und freundlicher­weise zur Verfügung gestellt wurde. Die Höhenauflösung beträgt einen Meter. Dieser Datensatz wies z.T. erhebliche Inkonsistenzen auf. Im Bereich eines Kartenblattes traten derartige Unstim­migkeiten auf, daß dieses auf der Grundlage der TK25 digitalisiert wurde.

Da die Höhenauflösung von einem Meter z.B. für die Ableitung der Hangneigung nicht ausrei­chend ist (es ergäbe sich eine sehr stufige Verteilung), wurden aus den Daten zunächst Höhen­linien extrahiert. Die dazwischen liegenden Werte wurden linear interpoliert. Dabei wurde jeweils die größte Höhendifferenz pro Strecke ausgewählt, da diese für die Prozesse des Wasserabflus­ses und des Stoffaustrages als die Wesentlichste angesehen wurde.

Die Karte wurde für die räumliche Auflösung von 20 * 20 m berechnet.


D.5.4. Karte der Teileinzugsgebiete

Die örtliche Zuordnung der Verluste erfordert eine Unterteilung des Gebietes in Teileinzugsge­biete (im Text z.T. auch als Berechnungsabschnitte bezeichnet). Abflüsse und Frachten können durch sie flächenspezifisch, d.h. bezogen auf einen Hektar des Einzugsgebietes, angegeben und darüber miteinander verglichen werden.

Die Basis der Karte bildeten die vom Landesamt für Wasserhaushalt und Küsten Schleswig-Hol­stein verwendeten Einzugsgebietsgrenzen. Eine erste Korrektur erfolgte in den Bereichen, wo deutliche Abweichungen zum Fließgewässersystem und zu den Pegelmeßpunkten zu erkennen waren.

Eine zweite Korrektur war zum einen deswegen erforderlich, weil sich nach der Berechnung der spezifischen Abflüsse und Frachten in einigen Gebieten (z.B. Halloher Moor oder Himmelreich) sehr große (unwahrscheinliche) Abweichungen vom Mittel der übrigen Gebiete zeigten. Zum an­deren wies die Wasserdurchflußkarte (Kap. 6.3) in einigen Bereichen Unstimmigkeiten mit den Einzugsge­bietesgrenzen auf. Die Karte des Wasserdurchflusses war Grundlage für die Korrektur der Be­rechnungsabschnitte.


D.6. Abgeleitete Karten

D.6.1. Hangneigung

Die Karte der Hangneigung beruht auf dem bereits beschriebenen DHM (s. Kap. 5.3). Für jeden Punkt in der Karte wurde die erste Ableitung aus den acht benachbarten Pixeln gebildet.


D.6.2. Ökotonenabstand

In der intensiv bewirtschafteten Landschaft stoßen oft Flächen mit unterschiedlichem Wasser­haushalt zusammen, z.B. durch die verschieden hohe Fähigkeit zur Wasserspeicherung infolge eines verschieden hohen Anteils an Detritus (toter organischer Substanz). Dieses wasserhaus­haltliche Potential gliche sich durch die Sukzession relativ rasch aus, wenn diese nicht durch die Bewirtschaftung unterbunden würde. Durch dieses künstlich aufrecht erhaltene Potential kommt es gerade an diesen Ökotonen (Grenzlinien) zu Stoffverlagerungen und zu kleinklimatischen Ab­weichungen im Vergleich zu den umliegenden Flächen. So erwärmen sich z.B. die Bestandsrän­der eines Waldes im Tagesverlauf eher als die Bestandsmitte; der Ackerrand hingegen erwärmt sich langsamer als die Mitte des Ackers.

Diese Randeffekte soll die Karte der Ökotonenabstände (vgl. Karte) verdeutlichen. Zu ihrer Er­mittlung wurde die Flächennutzung der topographischen Karte in vier Klassen zusammengefaßt unter der Annahme, daß sich die Flächennutzungen einer Klasse jeweils ähnlich bzgl. der Rand­effekte verhalten:

Klasse 1: Wald, Wasser
Klasse 2: Grünland, Moor
Klasse 3: Acker, Sonstige Flächen
Klasse 4: Siedlung, Kläranlagen

Durch die vorliegenden Temperaturmessungen war bereits bekannt, wie stark sich die entwäs­serten Moorflächen erwärmen. Deshalb wurden diese zusammen mit dem Grünland in Klasse zwei statt in Klasse eins zusammengefaßt.

Für jeden Punkt (Pixel) der Karte wurde der minimale Abstand zur nächsten Ökotone bestimmt und in die Karte eingetragen. Bereiche mit großen Ökotonenabständen lassen die ungestörtere Ausbildung der jeweiligen Mikroklimate vermuten. Bei aneinandergrenzenden Klassen (z.B. zwi­schen Wald und Grünland, s.o.) wurden die sich jeweils direkt berührenden Pixel mit einem grö­ßeren Ökotonenabstand belegt, da hier von einem geringeren Randeffekt ausgegangen werden kann.

In der Darstellung der Karte wurden die Abstandswerte binärlogarithmisch in sieben Klassen unter­teilt und durch zunehmende Farbintensiät dargestellt. Die Nutzungsklassen sind durch ver­schiedene Farbtöne ausgedrückt.


D.6.3. Wasserdurchfluß

Die Auswertung der Abflüsse und der wasserchemischen Daten in der Stör legt den Schluß nahe, daß ein großer Teil des Wassers oberflächlich bzw. oberflächennah abfließt (vgl. Kap. F.2.1.2; ge­ringe Basisabflüsse von unter 30% des mittleren Abflusses). Es wurde versucht, den Wasserdurchfluß in der Fläche mo­dellhaft aus dem digitalen Höhenmodell abzuleiten. Dabei wurde für jeden Punkt (Pixel) das theo­retische oberirdische Einzugsgebiet ermittelt und in klassi­fizierter Form dargestellt. In diese Nähe­rung gingen weder die Flächennutzung noch die Boden­eigenschaften ein.

Für die Ermittlung wurde zunächst die Exposition bestimmt, da diese unter den gegebenen Randbedingungen angibt, in welche Richtung das Wasser weitergegeben wird. Aufgrund der Un­zulänglichkeiten des DHMs war eine Ableitung der Exposition lediglich aus den umgebenden Pi­xeln wenig erfolgreich. Statt dessen fand die Berechnung mit einem wachsenden Quadrat statt, wobei die Vektoren vom Zentrum zu den tiefer liegenden Pixeln des Quadrates zu einem Ge­samtvektor addiert wurden und dadurch die wahrscheinlichste Fließrichtung für das zentrale Pixel ermittelt wurde. Die Größe des Quadrates war an die Veränderung der Winkelsumme rückgekop­pelt.

Die Wasserdurchflußmenge konnte dann bestimmt werden, indem ein gedachter Niederschlag von einer Einheit Wasser gleichmäßig auf die Expositionskarte "geschüttet" wurde und dieses Wasser entsprechend der Exposition abfloß. Diese Durchflußwerte wurden dann jeweils akkumu­liert (vgl. Bauer et al. 1985). - Probleme traten noch mit der durchgängigen Berechnung des Wasserdurch­flusses im Ge­wässer selbst auf. Da diese aber nur relativ geringe Flächenanteile an der Gesamt­landschaft dar­stellen, sind die Fehler für die hier vorgestellten Auswertungen nicht von Belang.


D.6.4. Wirkungsgrad

Für die Abschätzung des landschaftlichen Wirkungsgrades wurden im ersten Schritt die Flächen­nutzung, der Ökotonenabstand und der Wasserdurchfluß verknüpft. Dem lagen folgende Annah­men zugrunde:

Die Flächennutzung kann als grobe Schätzgröße für die Verdunstung des Wassers betrachtet werden. Durch eine hohe Verdunstung werden die Aufheizung des Standortes, die Perkolation des Wassers durch den Boden und damit die Stoffverluste verringert (vgl. Kap. B.). Dabei wird von folgender Reihung ausgegangen (von hohen zu niedrigen Verdunstungswerten):

(Wasser, Wald) > (Moor, Grünland) > (Acker, Sonstige) > (Siedlung, Kläranlagen)

Die Kläranlagen sind mit den Siedlungsflächen zusammengefaßt, da in deren Umgebung ein re­lativ hoher Anteil der Fläche versiegelt ist (Betriebsgebäude, Zufahrten).

Der Ökotonenabstand (vgl. Kap. 6.2) modifiziert diese Werte in folgender Form:

Die Wasserdurchflußwerte führen zu einer weiteren Differenzierung in der Form, daß bei zuneh­mendem Wasserdurchfluß durch die bessere Wasserversorgung der Vegetation ein besserer Temperaturausgleich möglich ist und außerdem geringere Bodenwasserschwankungen wahr­scheinlich sind. Im Siedlungsbereich wird davon ausgegangen, daß die Wasserdurchflußwerte durch den hohen Versiegelungsgrad kaum noch eine Bedeutung besitzen.

Der Wirkungsgrad wurde in fünf Klassen (1 = gering, 5 = hoch) unterteilt. In den folgenden Ta­bellen ist die Klassifikation dargestellt. Die Reihen beschreiben die Klassen der Ökotonendistanz (1..7), die Spalten die Klassen der Wasserdurchflußwerte (1..9).

Tab_Wirkungsgradklassen.gif

Die vergleichende Betrachtung der mit dem Satelliten aufgenommenen Oberflächentemperatur über mehrere Zeitpunkte zeigte, daß die Temperatur im Bereich der Schwale trotz der großen Ackerflächen untypisch kühl war. Dies trifft zumindest für die Zeitpunkte Juli 1987 und Mai 1992 zu, während im September 1991 die nicht bewaldeten Flächen vergleichbar der Gesamtfläche überwärmt waren. Dies deutet auf eine noch bessere Wasserspeicherkapazität des Bodens hin. Die Bodenkarte stellt in diesem Gebiet abweichend vom Gesamtgebiet überwiegend Pseudo­gleye und Parabraunerden dar. Diese Bereiche wurden deshalb in der Wirkungsgradkarte um eine Klasse angehoben.


D.6.5. Vorranggebiete

Zur Steigerung der Nachhaltigkeit der Landschaft sollten funktional abgeleitete Vorranggebiete ausgewiesen werden (vgl. Kap. B.5):

Die Feuchtgebiete entlang der Gewässer wurden ausgewiesen, indem alle Pixel mit einer maxi­malen Entfernung von 20 m vom Gewässer ausgewählt wurden. Zusätzliche Bedingung war ein maximaler Höhenunterschied von 0.5 m zwischen den Feuchtgebietspixeln und dem Gewässer. Insgesamt ergeben sich so gewässerbegleitende Feuchtgebiete von max. 60 m Breite (Gewässer plus jederseits 20 m Feuchtgebiet).

Die Ausweisung der Quellgebiete erfolgte über die berechneten Wasserdurchflußwerte (vgl. Kap. D.6.3). Dabei wurden die Bereiche selektiert, die einen Wert über 128 aufwiesen. Dies entspricht einem oberirdischen Einzugsgebiet von etwa 5 ha.

Die automatische Kartierung der Kuppenlagen erfolgte ebenfalls mit Hilfe des berechneten Was­serdurchflusses. Dabei wurden alle Werte <= 3 ausgewählt. Dies entspricht einem maximalen oberirdischen Einzugsgebiet von 0.12 ha.

Die Bereiche mit hohen Hangneigungen konnten direkt der Hangneigungskarte (vgl. Kap. B.6.1) entnommen werden. Dabei wurden lediglich Gebiete mit einer Hangneigung über 12.8% ausge­wählt. Da das gesamte Gebiet der Stör relativ flach ist, sind dies unter 0.25% der Gesamtfläche.

Die so ermittelten Bereiche wurden entsprechend klassifiziert und in einer Karte zusammenge­führt. Die Siedlungsflächen wurden von den Vorranggebieten ausgenommen.

Nicht ausgewiesen wurden Flächen in Siedlungsnähe, die der Rückführung von Klarwässern und den darin enthaltenen Basen und Nährstoffen in die Landschaft dienen.