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5. Energiebox und Ordnungspolitik

Die heutige Technologie besitzt einen Zug zum Gigantischen. Daraus er­geben sich politische und gesellschaftliche Folgewirkungen von erheblicher Tragweite, die das seit je nicht ungespannte Ver­hältnis zwischen Mensch und Maschine, Umwelt und Technik, Freiheit und Macht, Individuum und Herr­schaft zu einem der kritischen Probleme der heutigen Gesellschaft haben werden lassen: Die freiheitliche Rechtsverfassung des politischen Systems mitsamt ihren dezentralen gewaltenteiligen Kompetenzbalancen und grund­rechtlichen Selbstbestimmungsrechten droht von technologischen Apparatu­ren, ihren Eigengesetzlichkeiten und undurchsichtigen Steuerungsmechanis­men verdrängt zu werden. Das hat zur Folge, daß nicht nur der individuell beherrschbare Lebensraum ständig schwin­det, sondern daß das gesellschaft­liche System mangels ausreichender Rückkopplung seine Motorik, Reaktions­fähigkeit und Dynamik einbüßt und hinter der rapiden Veränderung der Lebens­umstände herhinkt.

Gelegentlich haben die bereits entstandenen Reibungsflächen zwischen politischer und techno­lo­gischer Verfassung die Schwelle des Mißvergnügens und allgemeiner Verdrossenheit überschritten und zu offener bürgerschaft­licher Aktion geführt. Hinter solchen Signalen verbirgt sich eines der ernste­sten Probleme unserer technisierten Gesellschaft. Im Energiebereich kann diesem Problem nur dadurch begegnet werden, daß nicht nur auf eine wirt­schaftliche, umweltfreundliche, sichere oder energiesparende, sondern auch auf eine verfassungskongruente Technologie Bedacht genommen wird. Not­wendig ist also eine Technologie, in welcher der einzelne nicht zu Passivität und Abhängig­keit verurteilt ist, sondern soweit wie möglich als aktiver Part­ner, als gleichberechtigter und mitverant­wortlicher Produzent der Gemein­wohlgüter entsprechend seiner politischen Rolle als selbstverant­wortlicher Bürger des staatlichen Gemeinwesens fungiert.

Die Energiebox ist ein kleiner Schritt auf diesem Weg, staatsbürgerlichen Gemeinsinn durch Mitwir­kung und Mitverantwortung zu wecken. Sie ist es insbesondere dann, wenn sie sich unter Wahrung der partnerschaftlichen Interessen in der Verfügungsgewalt des einzelnen Verbrauchers befindet und nicht in derjenigen der EVU. Dies schließt nicht aus, daß mit diesen eine im beiderseitigen Interesse liegende einvernehmlich abgestimmte Betriebsweise vereinbart wird, zu der ggfs. auch eine zentrale Steuerung etwa zur Spitzen­lastdeckung gehören kann, da es mittels der heutigen elektronischen Techno­logien möglich ist, die Elektrizitätserzeugung auch bei einer großen Zahl von Energieboxen wie bei einem Großkraftwerk zu steuern und dabei zugleich die Vorzüge der dezentralen Wärme-Kraft-Kopplung zu nutzen.

Wie aber die in jüngster Zeit geführten Diskussionen vor dem Kartellamt gezeigt haben, ist von den EVU keine grundsätzliche Änderung ihrer bisheri­gen Haltung gegenüber privaten Betreibern von eigenen Anlagen zur Erzeu­gung von Elektrizität (sog. Eigenanlagen) zu erwarten, Die EVU stützen sich dabei vor allem auf Geist und Formulierung des „Gesetzes zur Förderung der Energiewirtschaft" (Energiewirtschaftsgesetz) aus dem Jahre 1935. Nach seinem Vorspruch ist es der Leitgedanke des Gesetzes, „die Energieversor­gung so sicher und so billig wie möglich zu gestalten". Das heute gleichrangig hinzugetretene Ziel der Einsparung von Energie fehlt. Anlagen zur Elektri­zitätserzeugung durch Wärme-Kraft-Kopplung werden zum Beispiel nur in wenigen, eng umrissenen Sonderfällen als zumutbar für ein EVU angesehen (lt. 5. Durchführungsverordnung zum Energiewirtschaftsgesetz aus dem Jahre 1940).

Das neue Ziel der Energieeinsparung ist von solch entscheidendem Einfluß auf den Energiebereich, daß ihm nur durch ein neu zu schaffendes „Energiegesetz" und nicht mehr durch stückweise Anpas­sung des geltenden Energiewirtschafts­gesetzes einschließlich seiner Durchführungsverordnungen Rechnung getragen werden kann. In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, daß das 1976 verkün­dete Energieeinsparungsgesetz seinen umfassenden Namen nur teil­weise zu Recht trägt, da es nur auf die Einsparung von Energie zur Wärme­versorgung von Gebäuden abzielt. Auch die in der zweiten Fortschreibung des Energieprogramms der Bundesregierung vom 14. Dezember 1977 /32/ pro­pagierte verstärkte Nutzung der Wärme-Kraft-Kopplung wird nur dann wirklich voranschreiten, wenn das Energiewirtschaftsgesetz abgelöst wird.

Im Hinblick auf die Energiebox wie auch auf größere Anlagen zur Wärme-Kraft-Kopplung im industriellen Bereich ergibt sich dabei die Forderung, insbesondere den Verbundbetrieb zwischen den Großkraftwerken der EVU und Kleinkraftwerken wie der Energiebox in dem neuen Energiegesetz auf der Basis partnerschaftlichen Zusammenwirkens zu regeln. Dies betrifft auch die Fragen der sog. Parallelfahrgebühr und der Reservehaltung sowie die Angemessenheit der Abnahmepreise (vgl. hierzu Anhang 7).

Darüber hinaus wäre zu prüfen, inwieweit Elektrizität, die durch Wärme-Kraft-Kopplung erzeugt wird, aus energiepolitischen Gründen generell eine vor der in Kondensationskraftwerken erzeugten Elektri­zität begünstigte Stel­lung erhalten soll. Diese könnte sich zum Beispiel auch in einer entsprechen­den Preisgestaltung ausdrücken.